Der Einkauf als Hebel zur Verbesserung des Ratings

Während in vielen Unternehmen der Fokus darauf liegt, Produkte zu optimieren und den Umsatz zu erhöhen, gilt die Einkaufsabteilung häufig als reines Beschaffungsorgan – dies aber zu Unrecht: Denn bei genauer Prüfung können sowohl im Bereich der Prozesskosten als auch bei den Bezugskonditionen selbst Kostensenkungen von bis zu 20% realisiert werden. Durch eine enorme Hebelwirkung sind die Effekte im Unternehmensergebnis sofort spür- und messbar. Damit hat eine Reduzierung der Einkaufskosten beträchtliche Auswirkungen auf das Ratingergebnis und die Kreditkonditionen.

I. Kostenreduzierung im Einkauf (Beispiel)

Der Materialkostenanteil eines Unternehmens beträgt 60%, die Rendite 3%. Können die Kosten im Einkauf um nur 5% gesenkt werden, entspricht dies demselben Effekt wie eine Umsatzsteigerung um 100%, was sich wiederum sofort positiv auf Ihre Bilanz und damit Ihr Rating auswirkt.

Durch dieses einfache Rechenbeispiel wird deutlich, welch enorme Hebelwirkung der Einkauf durch eine Senkung der Anschaffungskosten entfalten kann – sowohl direkt auf Ihre Bilanz und Ihr Rating als auch auf Ihre Liquidität. Denn gerade im Einkauf sind hohe Einsparpotenziale vorhanden. Hierzu gibt es verschiedene Anregungen, die im Folgenden erläutert werden.

II. Lieferantenverhandlungen

Eine naheliegende, aber dennoch oft vernachlässigte Vorgehensweise besteht in der kontinuierlichen Überprüfung der Bezugskonditionen. Dazu bieten sich in erster Linie Ausschreibungen an; aber auch Auktionen, Lieferantentage etc. können zu den gewünschten Ergebnissen führen. Häufig kontaktieren Mandanten bei Ausschreibungen jedoch nur ihre Bestandslieferanten und wenige, im Einkauf bekannte Alternativen.

Praxishinweis
Erweitern Sie Ihre Lieferantenliste. Eine gründliche Recherche führt oftmals zu einer Erhöhung der Zahl um ein Vielfaches. Außerdem sollte beachtet werden, dass die Anfragedokumente professionell und vollständig sind. Nichts ist ärgerlicher als zahlreiche Rückfragen der Lieferanten.

Sollte die Auswertung der erhaltenen Angebote eine Preisdifferenz zwischen Bestands- und Alternativlieferanten aufzeigen, sollten Sie den Bestandslieferanten mit den Ergebnissen konfrontieren. Sollte keine Einigung erzielt werden können, wäre ein Lieferantenwechsel empfehlenswert. Dabei muss die Einsparung nicht zwangsläufig über die reinen Stückpreise erfolgen, sondern es sind auch Jahresrückvergütungen, Bonusauszahlungen o. Ä. denkbar.

III. Global Sourcing

Global Sourcing sollte nicht nur mit China in Verbindung gebracht werden, denn niedrige Einkaufsmengen und technisch sensible Produkte erlauben in den wenigsten Fällen eine Beschaffung aus Fernost. Je nach Branche und Bedarf bieten sich auch Märkte wie Tschechien, Polen, die Slowakei, die Türkei oder auch Indien als interessante Möglichkeiten an. Werden nach eingehender Prüfung auch die Bedenken bezüglich der Qualität ausgeräumt, können die Einsparpotenziale in vielen Fällen ohne weiteres höher als 30% betragen.

Praxishinweis
Kosten binden Kapital und liquide Mittel, was sich negativ auf Ihre Bilanz und damit Ihr Rating auswirkt. Behalten Sie daher wirklich die Gesamtkosten im Auge. So kommen zu den reinen Stückpreisen z.B. noch folgende Ausgaben hinzu: Transport- und Versicherungskosten, Zölle, Finanzierungs-, Bemusterungs-, höhere Reklamations- sowie ggf. Reise- und Kommunikationskosten.

IV. Wertanalysen

Im Laufe des Lebenszyklus eines Endprodukts ist die Materialkomposition einzelner Zukaufteile regelmäßig zu hinterfragen. Wertanalytische Optimierungsansätze lassen sich häufig durch Konkurrenzanalysen (Benchmarking) oder Befragungen von Alternativ- und Bestandslieferanten in Erfahrung bringen. Für diese Vorgehensweise bieten sich Lieferantentage an, zu denen eine Vielzahl von Lieferanten eingeladen und dazu aufgerufen wird, wertanalytische Veränderungsvorschläge für die bestehenden Produkte zu unterbreiten. Veränderungspotenziale sind in der Folge durch Teams aus Einkauf, Technik, Qualitätssicherung und Vertrieb in die Praxis umzusetzen. Einsparungen in Höhe von 10% bis 20% sind keine Seltenheit. Damit stellen Wertanalysen einen starken Hebel dar, um Kosten deutlich zu senken und sich im Rating entsprechend stark zu verbessern.

V. Make-or-Buy-Analysen

Viele Unternehmen fertigen noch immer einen großen Teil der Einzelkomponenten selbst. Hier gilt es genau zu analysieren, bei welchen Komponenten das Unternehmen spezifisches Know-how besitzt und welche Teile problemlos ausgelagert werden könnten. Vergleicht man die internen Produktionskosten mancher Unternehmen mit denen spezialisierter Zulieferer, insbesondere im nahen Ausland, lassen sich schnell 40% der Produktionskosten einsparen. Eine Auslagerung von bisher selbst produzierten Teilen schafft zudem freie Kapazitäten für weitere Kundenaufträge.

Praxishinweis
Empfehlenswert hierbei ist die regelmäßige Einberufung eines internen Arbeitskreises. Lassen Sie den Arbeitskreis nicht zu groß werden, aber nehmen Sie auf jeden Fall Verantwortliche aus folgenden Abteilungen hinzu: Produktion, Einkauf, Qualitäts-sicherung und Technik. Verzahnen Sie diese Abteilungen eng mit dem Einkauf, um Synergien zu nutzen und Einsparpotenziale zu erkennen und zu heben.

VI. Lieferanten- und Teilekonsolidierung

Ein großes Problem des Einkaufs stellt die hohe Anzahl von Einkaufsartikeln und Lieferanten dar. Hier sollten Sie daher versuchen, gemeinsam mit der Technik strategische Lieferanten festzulegen und deren Know-how sinnvoll zu nutzen. So können in Kooperation mit diesen Lieferanten Standardteile definiert werden, die zukünftig vorrangig zu verwenden sind. Auf diese Weise bündeln Sie das Volumen bei wenigen Lieferanten. Diese Bündelung hat insbesondere auch den Vorteil, dass Sie von den Lieferanten als Partner gesehen werden, sodass auch die Belieferung bei Kapazitätsengpässen vorrangig gewährleistet wird und dadurch Lieferzeiten reduziert werden können.

Praxishinweis
Kommt es zu einer Lieferantenkonsolidierung mit der Folge, dass einige Lieferanten wesentlich höhere Umsätze einplanen können, sollten Sie über Rahmenverträge mit einer umsatzabhängigen Bonusvereinbarung nachdenken. So können sie – zusätzlich zum Einspareffekt aus der Konsolidierung – auch noch weitere Einsparungen erzielen.

VII. Bestandsmanagement

Hohe Lagerbestände sind i. d. R. der größte Posten im Umlaufvermögen und binden oft unnötig Kapital. Ziel sollte es daher sein, die Beschaffungszeit von Waren zu minimieren, damit eine rasche Reaktion auf Abnahme- und Preisschwankungen möglich wird. Durch Einbeziehung der strategischen Lieferanten in Form von Konsignationsläger, Kanbansystemen oder Just-in-time-Belieferungen sowie eine Reduktion von Sicherheitsbeständen lassen sich Lagermengen oft um 40% bis 60% reduzieren. So können Sie in kurzer Zeit Ihre Liquidität und Ihr Rating deutlich verbessern. Auch die Implementierung einer IT-gestützten Anbindung zum Lieferanten sorgt für eine bessere und sichere Belieferung des Bedarfs.

FAZIT
Zu den bereits genannten Kostensenkungspotenzialen im Einkauf kommen noch zahlreiche hinzu, wie beispielsweise die Optimierung der Losgrößen, Reduzierung von Prozesszeiten, Senkung der Ausschussquote, Standardisierung von Transport-verpackungen, Abschluss von Rahmenverträgen oder die Optimierung der Zahlungs-konditionen. Bei der Umsetzung ist allerdings entscheidend, dass das nötige Know-how im Einkauf vorhanden ist. Eine stetige Fortbildung ist wichtig und ratsam. Das Hauptproblem ist aber die Auslastung des Einkaufs. Oftmals haben die Mitarbeiter schlichtweg keine Zeit, Optimierungsprojekte parallel zum Tagesgeschäft anzustoßen und zu betreuen. In dieser Situation sollten Sie das Gespräch mit Einkaufsberatern suchen, die sich als Kollegen und Trainer auf Zeit verstehen.