Beschaffungskosten senken: Verhandlungen mit Bestandslieferanten

Verhandlungstipps existieren im Internet in Hülle und Fülle. Meist in Form von Anleitungen und psychologischen Kurzlehrgängen sollen Gesprächspartner dort durch Körpersprache, Auftreten und Gesten beeinflusst werden. Doch oft sind diese Ratschläge auf Neuverhandlungen ausgerichtet und setzen voraus, dass sich die Verhandlungspartner nicht seit Jahren kennen. Doch wie schaut es eigentlich mit Verhandlungen aus, bei denen man einem seit langem bekannten Lieferanten gegenüber sitzt?

Und ist es möglich, trotz dessen Beschaffungskosten zu optimieren?

Beschaffungskosten-Optimierung

Beschaffungskosten optimieren

Der Bestandslieferant ist oft firm mit einer Fülle von Prozessen im Unternehmen. Er kennt den Einkauf und ist auf Du mit der Technik. Unterlaufen Fehler, fallen ihm diese von selbst auf, reagiert wird auf Zuruf. Sollen nun Preisverhandlungen begonnen werden, kann sich diese Vertrautheit als Segen oder Fluch darstellen.

Produkt- oder Lieferantensubstitutionen können teuer sein

Aus unserer Projekterfahrung wissen wir, dass gerade aus der Gesamtkostensicht Preisreduzierungen bei Bestandslieferanten viele Vorteile gegenüber Alternativlieferanten haben:

a) Erprobungen, wie Sie eventuell bei Substitutionsprodukten notwendig sind, entfallen.
b) Es gibt keine Anlaufzeiten.
c) Erhöhten Qualitätssicherungsmaßnahmen sind nicht erforderlich.
d) Zwischenmenschliche Beziehungen sind gefestigt, Rollen verteilt.
e) Liefer- und Verpackungsstandards sind geläufig.

Es soll also an der Preisschaube gedreht werden, um schlussendlich die Beschaffungskosten zu senken. Konditionen drum herum können hingegen bleiben wie sie sind. Doch dies ist leichter gesagt als getan. Aus der zuvor beschriebenen Situation ergibt sich natürlich auch ein gewisses Besitzstanddenken. Langjährige Lieferanten werden aus den unterschiedlichsten Gründen von den Fachabteilungen protegiert. Teilweise „menschelt“ es doch sehr in Geschäftsbeziehungen, vor allem in langjährigen. Hier ist nun der pro aktiv agierende Einkauf gefragt. Durch permanente Marktbeobachtung, Lieferantenbeurteilung, Lieferantenaudits und Kosten- bzw. Preis-Benchmarking-Aktivitäten muss es dem Einkauf gelingen, den Bestandslieferanten jedes Mal aufs Neue zu fordern, seine Leistung messbar zu machen, damit dieser sich nicht auf seinen erworbenen Lorbeeren ausruhen kann. Den Intervall für die regelmäßige Verhandlung marktgerechter Preise bestimmt dabei das Produkt selbst. Sollten C-Artikel im modernen Einkauf mit Hilfe von e-Tools prozesskostenoptimiert beschafft und über langfristige Rahmenverträge (≥ 16-24 Monate) abgesichert sein, so stehen bei A- und B-Artikeln die Verhandlungen mindestens einmal jährlich an.

Die auf die Unternehmensgröße und Artikelmenge angepassten Einkaufswerkzeuge Materialgruppenmanagement, ABC-Analyse (eventuell um die XYZ-Sicht erweitert), Preisbenchmarks, Lieferantenbeurteilung, etc. helfen bei der priorisierten Planung der Aktivitäten. Und damit sind nicht die planmäßigen, regelmäßigen Verhandlungen über die angekündigten Preiserhöhungen des Lieferanten gemeint. Jede Veränderung am Rohstoffmarkt, jede Schwankung in der Marktnachfrage kann die Initialzündung für die nächste Preisverhandlung sein. Warum gibt es denn regelmäßig nur Preiserhöhungen? Seien Sie das nächste Mal der Erste mit der Forderung die Beschaffungskosten zu optimieren. Vorausschauende, innovative Unternehmen müssten ihre Kunden regelrecht zum Benchmarking auffordern, denn nur eine frühzeitige, kundenseitige Forderung sichert den Fortbestand – wer richtet seine Aktivtäten nicht an den Markterfordernissen und Kundenwünschen aus?

Proaktiver Einkauf bringt Gewinn

Der Einkauf muss gerade in der heutigen Zeit genügend Freiraum für Analysen im Bereich Preisbenchmark, Beschaffungsmarkt-Tendenzen und Trends in den Rohstoffmärkten zur Verfügung gestellt bekommen. Es reicht bei weitem nicht mehr aus, die Produktkosten nur stabil zu halten. Jedes Argument, welches der Lieferant in der letzten Preisrunde vorgebracht hat, kann zur richtigen Zeit angewendet, auch gegen Ihn (gegen seine Preisvorstellung) genutzt werden! Hat der Bestandslieferant im letzten Jahr die Preise angezogen, weil der Stahl teurer wurde? Mussten Sie Treibstoffzuschläge für Logistikdienstleistungen hinnehmen? Waren Teuerungszuschläge wegen Mengenverknappung aufgrund steigender Nachfrage nicht überall an der Tagesordnung? Aus Sicht eines Lieferanten alles durchaus legitim. Doch wo steht z.B. der Stahl, der Treibstoff und die Nachfrage heute? Fordern Sie Ihren Lieferanten dazu auf, wirklich partnerschaftlich mit Ihnen zusammen zu arbeiten? Es kann und darf nicht sein, dass Sie als Bestandskunde (denn diesen Status genießen Sie bei Ihren Bestandslieferanten) in die gleichen Preisverhandlungen getrieben werden wie Perspektivkunden. Einen Bestandskunden zu verlieren ist für ein Unternehmen bedeutend schlimmer, als ein Perspektivgeschäft.

Risikokalkulationen entfallen

Nutzen Sie alle vorher genannten Effekte (Erprobungen, Anlaufzeiten, Qualitätsmaßnahmen, Beziehungen, Standards, etc.) für Ihre Argumentation. Bringen Sie Preisbenchmarks von Wettbewerbern. Gestehen Sie dabei Ihrem Bestandslieferanten durchaus einen Vorteil in Form des „letzten Wortes“ zu. Zu höheren Preisen darf dies allerdings nicht führen. Aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen mit Ihnen hat er einen Kalkulationsvorteil, den er gegen seine Wettbewerber ins Feld führen muss. Jegliche Risikoberücksichtigung, die ein Alternativlieferant in seine Kalkulation für ein Neugeschäft einbringen muss, entfällt. Wie sieht es mit der Produktions-Lernkurve Ihrer nachgefragten Produkte aus? In welcher Phase des Produktlebenszyklus befindet sich das Produkt? Wie lange hat sich an dem Design oder der Spezifikation nichts mehr geändert? Dass die Deckungsbeiträge „alter“ Produkte besser sind als die von Neuentwicklungen steht dabei außer Frage. Darüber hinaus gewinnen in letzter Zeit Werte wie Verlässlichkeit (in Puncto Zahlung), Stabilität und Partnerschaft in Geschäftsbeziehungen noch stärker an Bedeutung. Was bekommt Ihr Lieferant bei einem neuen Kunden, den er sich mühsam erarbeiten muss, wenn er Sie als solchen verliert?

Niemand verliert gerne Kunden

Hier unsere Checkliste Verhandlung mit Bestandslieferanten:
1) Priorisieren Sie die Produkte oder Materialgruppen für proaktives Einkaufen
2) Klären Sie im Vorwege gegenseitige Abhängigkeiten.
3) Führen Sie die Verhandlung gut vorbereitet.

Klären Sie im Vorfeld ab:

  • Werben Sie mit der Geschäftsbeziehung (Verlässlichkeit, Stabilität, Partnerschaft, etc.)
  • Erstellen Sie Benchmarks zu Wettbewerbern (Preis, Lieferzeiten, Mengen, etc.)
  • Gibt es Argumente des Lieferanten aus der letzten Preisrunde, die Sie heute für sich verwenden können? (Stahl, Treibstoff, Energie, etc.)
  • Produkt- bzw. Produktionslernkurve
  • Status des Produktes in Hinblick auf den Produktlebenszyklus in Ihrem Haus und beim Lieferanten

Zu guter Letzt: Nehmen Sie Abstand von der Angst, dass der Lieferant Sie nicht mehr beliefern würde, wenn Sie mit Ihm in harte Verhandlungen treten bzw. die Senkung Ihrer Beschaffungskosten zu Lasten des Lieferservicegrades gehen. Seien Sie sich sicher: für Ihren Bestandslieferanten sind Bestandskunden ein hohes Gut – sichern Sie Ihm doch den Auftragsgrundbestand, den er zum Überleben braucht und der Ihm den Spielraum für neue Geschäfte erst ermöglicht. Kein Unternehmen kann nur von Neugeschäft leben! Darüber hinaus ist es eine alte Unternehmerweisheit, dass der älteste Kunde die schlechtesten Preise hat – oder wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus?