Studie: Digitale Transformation verläuft schleppend bei Großunternehmen

Autor: Christian Fischer
Datum: 04.03.2016

Innovationen scheitern oft an internen Widerständen

Eine neue Studie der Digitalberatung etventure in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut GfK Nürnberg bestätigt erneut die hohe Wichtigkeit der Digitalen Transformation für Unternehmen in jeglichen Branchen. Allerdings wird die Tragweite für die eigenen Geschäfte und die konkreten Herausforderungen für deutsche Unternehmen unzulänglich erkannt und erarbeitet. Lediglich sechs Prozent der Firmen sehen heute die Digitalisierung als das wichtigste Unternehmensthema an. Aus der Studie wird ersichtlich, dass mangelnde Management- und Umsetzungsfehler sowie Ängste vor strukturellen Veränderungen Grund hierfür sind. Die Befragung erfolgte im Januar 2016 unter rund 2.000 Führungskräften und Vorständen von Großunternehmen ab einem Umsatz von 250 Mio. €.

Zusammenfassend stellt die Untersuchung fest, dass das Thema Digitale Transformation einen erhöhten Stellenwert in Unternehmen eingenommen hat. So beantwortet jedes vierte Unternehmen, dass der Stellenwert innerhalb der letzten 12 Monate „deutlich gestiegen ist“ und ein weiteres Drittel beantwortet diese Frage mit einem „gestiegenen Stellenwert“. „Doch obwohl damit 60 Prozent der Firmen die wachsende Bedeutung sehen, nennen gerade einmal 35 Prozent die Digitale Transformation als eines ihrer drei Top-Themen und nur ganze sechs Prozent als das wichtigste Thema im Unternehmen“, zieht Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer der Digitalberatung etventure, als Resümee der bundesweiten Befragung. „Dabei ist Digitalisierung Chance und Herausforderung Nummer eins. Was der Buchmarkt und die Musikindustrie bereits schmerzlich erfahren mussten, könnte bald andere Branchen, auch im B2B-Bereich, treffen: Wer jetzt nicht digitalisiert, überlässt die Wertschöpfung den großen Technologiekonzernen wie Google, Amazon oder Apple oder auch ganz neuen digitalen Angreifern, die in den Markt drängen“, fügt Depiereux weiterhin an.

Des Weiteren belegt die Studie eindeutig, je intensiver die Geschäftsführung und der Vorstand die Digitalisierung steuert, desto erfolgreicher letztendlich die Einführung. Allerdings erfolgt nur bei knapp der Hälfte der Befragten, 48 %, die Steuerung der Transformation durch die Geschäftsführung oder den Vorstand. „Wenn komplette Geschäftsmodelle und -abläufe eines Unternehmens digitalisiert und in Frage gestellt werden sollen, greift das tief in sämtliche Prozesse sowie in die Kultur des Unternehmens ein. Das bedeutet für das Unternehmen: Ist der Vorstand nicht Treiber des Digitalprozesses, wird die digitale Transformation nicht gelingen.“, so Depiereux.

Die Studie verdeutlicht ebenfalls, dass 76 % der Unternehmen entweder die interne IT-Abteilung oder auch die Unternehmensentwicklung mit der Digitalisierung beauftragen. Allerdings sieht Depiereux dies als problematisch und fügt an: „Die Kernaufgabe des IT-Leiters ist es aber, die IT-Infrastruktur fehlerfrei am Laufen zu halten und ständig weiter zu entwickeln – und das ist auch extrem wichtig. Für die Digitalisierung ist jedoch vor allem eine schnelle Produktentwicklung, radikale Nutzerzentrierung und Datenfokussierung wichtig. Dies ist weitestgehend konträr zur eigentlichen DNA einer IT-Abteilung.“

Erstmals verdeutlicht die Untersuchung von etventure die größten Hürden für die Digitale Transformation. Mit 65 % und somit auf dem ersten Platz belegte die Aussage „die Verteidigung bestehender Strukturen“ im Unternehmen sei das Problem für die digitale Einführung. Als weiteres Problem werden „fehlende Zeit“, 58 %, und „fehlende Erfahrung“, 52 %, benannt. Zu guter Letzt führen rund 40 % der Unternehmen „notwendige weitreichende und radikale Entscheidungen die von den Führungskräften gescheut werden“ oder man sei „zu festgefahren“ als Grund an. „Wir erleben häufig, dass spannende Innovationsvorhaben an internen Widerständen scheitern. Daher haben Geschäftsführer von führenden Unternehmen wie Schindler, Osram oder auch Viessmann und Klöckner entschieden, Digitalprojekte zunächst außerhalb des Unternehmens, in einem geschützten Raum, zu starten. Denn Widerstände gegenüber Neuerungen sind in Organisationen deutlich kleiner, wenn der Erfolgsnachweis schon erbracht wurde.“, so Depiereux.

Weiterhin weist die Studie auf, dass die meisten Unternehmen strukturelle Veränderungen auf das Arbeitsumfeld befürchten. So gehen rund 92 % der Unternehmen davon aus, dass sich die Anforderungsprofile der Arbeitsplätze und die Arbeitsweisen innerhalb der Firma verändern. Des Weiteren erwarten 23 % der Befragten durch die Veränderung einen Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen, wohingegen 18 % von einem möglichen Stellenabbau ausgehen. Die restlichen Befragen gehen weder von einem Zuwachs noch von einem möglichen Stellenabbau aus.

Um sich auf die Digitale Transformation besser einzustellen, arbeiten laut Studie bereits 31 % der Befragten mit Startups zusammen. Als Grund hierfür wird am häufigsten ein verbesserter Zugang zu neuen Technologien (87 %) sowie schnellere und vermehrte Innovation (85 %) genannt. Mit 81 % wird das Lernen von Startup-Methoden und mit 71 % eine schnelle Umsetzung von Piloten durch eine Zusammenarbeit mit ihnen erwähnt.

„Wenn die deutliche Mehrheit der Unternehmen Digitalisierung heute noch immer nicht als Top drei Unternehmensthema auf der Agenda haben, sehen wir durch die Befragung bestätigt, dass viele Unternehmen – auch entgegen mancher Selbsteinschätzung – noch unzureichend auf die Digitalisierung vorbereitet sind“, fasst Philipp Depiereux zusammen und ergänzt: „In der Umsetzung heißt Digitalisierung auch Angriff auf das Kerngeschäft: Entscheidende Voraussetzungen wie die volle Rückendeckung der Chefetage und die Entwicklung von Innovation im geschützten Raum, losgelöst von bestehenden Strukturen, werden allerdings bislang nur in wenigen Unternehmen erfüllt.“