Daniel Graimann, Einkaufsleiter der Grünbeck Wasseraufbereitung GmbH, über die Entwicklung des Einkaufs
Welche Entwicklung hat der Einkauf Ihrer Einschätzung nach in den letzten Jahren durchlaufen?
In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist der Einkauf noch immer häufig ein reines Beschaffungsorgan, bei welchem Termin und Menge im Vordergrund stehen. Gerade in sehr stark technischen Unternehmen tut sich der Einkauf schwer aus den Zwängen der Technik herauszuwachsen, da der Fokus immer auf Produktoptimierung und Umsatzerhöhung lag. Zu Unrecht, da die Materialkosten in Unternehmen meist sehr hoch sind. Die Automobilindustrie bekleidete hier eine Vorreiterrolle und hat entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Um einen erfolgreichen Einkauf zu etablieren, ist es notwendig die Aufgabenstellung verbunden mit einer organisatorischen Trennung zwischen operativem und strategischem Einkauf zu vollziehen. Nur so ist es möglich Themen wie Materialgruppenmanagement, Prozessanalysen, Lieferantenmanagement und Verhandlungen in der Einkaufsabteilung erfolgreich eingliedern zu können.
Mit den wachsenden Aufgabenstellungen an die Einkaufsabteilung, wuchsen auch die Methoden und Tools. Aus der reinen Bestellabwicklung kristallisierte sich eine ganze Reihe an Methoden zur Kostenoptimierung wie z.B. Kostenstrukturanalysen gepaart mit Methoden im Lieferanten- oder Vertragsmanagement. Dies führt auch zu einem geänderten Anforderungsprofil an die Mitarbeiter, die immer mehr zum Schnittstellenmanager intern und zum externen Manager von Produktionsstätten (Lieferanten) werden.
Ebenfalls erhält der Einkauf immer mehr Verantwortung für die Qualität der Bauteile verbunden mit der Qualität der Lieferanten. Wir bei Grünbeck legen höchste Priorität auf Qualität. Diese gilt es pro Bauteil oder Materialgruppe spezifisch zu definieren, vereinbaren und abzusichern.
Wie wird sich der Einkauf voraussichtlich in Zukunft entwickeln?
Die strategischen Aufgaben werden auch zukünftig weiter wachsen.
Der Einkauf wird verstärkt in den Fokus rücken, da die Einflüsse auf das Betriebsergebnis zu groß sind, als dass man sie vernachlässigen könnte. Einkaufsabteilungen müssen aber auch schneller, effizienter und analytischer werden. Gerade in Bereichen wie Kommunikation, Bestellabwicklung, Datenaustausch sowie Rechnungskontrolle kann durch Automatisierung die Effizienz im Einkauf gesteigert werden. Einkaufsabteilungen und Unternehmen welche sich heute nicht mit diesen Dingen beschäftigen, werden langfristig abgehängt. Auch Lieferanten müssen hier umdenken und entsprechende IT-Infrastrukturen stellen können.
Ebenfalls wird das Thema Lieferantenmanagement weiter ein Schwerpunkt sein. Um tatsächlich Qualität im Einkauf gewährleisten zu können, bedarf es einem 360° Blick auf Lieferanten und zwar bereits bei der Lieferantenauswahl. Hierfür ist es notwendig die entsprechenden Systeme bereitzustellen, welche eine schnelle, effektive und crossfunktionale Abwicklung zulassen.
Die größte Entwicklung sehe ich allerdings beim Profil der Mitarbeiter in der Einkaufsabteilung. Einkäufer werden zum Multitalent. Zum einen sind sie Verhandlungsführer, Vertragsmanager, Controller und Datenanalyst. Zum anderen immer mehr Produktentwickler, Schnittstellenmanager und Berater sowohl für intern als auch extern.
Welche aktuellen Schwächen müssen künftig im Einkauf behoben werden?
Aufgrund der besagten Entwicklung sehe ich als eine der größten Schwächen die Personalpolitik. Einkaufsleiter müssen ein klares zukunftsorientiertes Stellenprofil erarbeiten. So ist es bestehenden Mitarbeitern möglich einen Wandel mit zu tragen. Ebenfalls ist es die Basis um offene Stellen extern bestmöglich zu besetzen und die Mitarbeiterentwicklung voran zu treiben.
In der IT-Infrastruktur gibt es zu viele Insellösungen für spezialisierte Themen. Dies führt zu einer ungewollten Vielfalt und somit Komplexität. Einkaufsabteilungen sind immer mehr auf der Suche nach der „Eierlegenden-Wollmilchsau“, um mit einem System möglichst viele Themen, angefangen von Spend-Analytics hin zur Lieferantenbewertung über Kennzahlen, decken zu können. Eine schnelle Integration sowie easy-to-use Anwendungen stehen im Vordergrund. Bestehende Systeme am Markt sind oft noch zu teuer, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen.
Wie beeinflussen aktuelle politische und wirtschaftliche Ereignisse den Einkauf?
Politische Entscheidungen werden verstärkt Einfluss auf die Volatilität von Rohmaterialpreisen, Zinsen und Währungsschwankungen haben. Preissprünge werden noch extremer und noch unvorhersehbarer. Einkaufsabteilungen welche zudem global handeln sind auf ein professionelles Risikomanagement angewiesen. Bereits bei der Definition der Sourcingstrategie müssen politische und wirtschaftliche Situation mit berücksichtigt werden. Bei allen Diskrepanzen zwischen den Ländern (selbst innerhalb der EU) hoffe ich jedoch, dass Zölle und länderspezifische Einfuhrbestimmungen nicht zu einem zu hohen Abwicklungsaufwand führen. Dies wäre für viele Industrieunternehmen geschäftsschädigend, gerade für deutsche Unternehmen.
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