Dr.-Ing. e.h. Wolfgang Clement, ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, über Trump und die Aufgaben Europas
Was ist im Jahr 2017 wirtschaftlich und politisch passiert? Ein Blick in die Medien legt die Vermutung nahe, dass Herr Trump das Einzige ist, was dieses Jahr passiert. Radio, Fernsehen, Zeitungen, Social Media, alles ist Trump. Das ist eher eine Drohung. Er ist zwar noch nicht lange im Amt, hat allerdings in diesem Jahr schon so viel Unsinn gemacht, beziehungsweise angekündigt, dass man mit einem gewissen schreckerfüllten Blick in die Zukunft schauen kann. Das beginnt bereits damit, dass er als erster US-amerikanischer Präsident öffentlich herauszufinden vermochte, ob er mehr Teilnehmer und Zuschauer an seiner Inauguration hatte als sein Vorgänger Obama.Einen amerikanischen Präsidenten der ausdrücklich sagt, dass er die Folter befürwortet, hätte ich für meinen Teil in einer Demokratie nicht für möglich gehalten. Dass dies geschieht, ist ohne Frage erschreckend. Wäre nicht allseits bekannt, dass Trump sich die Idee des Mauerbaus zwischen Mexiko und den USA hat einfallen lassen, hätte ich früher gedacht: „So was fällt nur uns Deutschen ein!“ Wir sind ja, historisch gesehen, Spezialisten im Mauerbau, vielleicht könnten wir ihm da behilflich sein. Es ist eine erschreckende Vorstellung, dass zwei benachbarte Staaten in einer solchen Art und Weise zueinander stehen und der wirtschaftlich und militärisch Stärkere so mit dem Schwächeren verfährt.
Natürlich hat das Ganze auch viele amüsante Aspekte. Am Ende des Tages müssen wir auch immer etwas suchen, das uns wenigstens kurzfristig noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Da fällt mir das Thema der Finanzierung ein, wozu er schon alle möglichen Lösungen angekündigt hat. Erst hieß es, er wolle die Entwicklungshilfe für Mexiko streichen. Dabei muss man stets bedenken, dass die Mauer zwischen 10 und 18 Milliarden Dollar kosten könnte. Bei den Zahlen muss ich übrigens spontan an den Berliner Flughafen denken. Nun ja, die Entwicklungshilfe-Zahlungen an Mexiko liegen bei rund 50 Millionen Dollar, was offenkundig nicht ganz reichen wird. Dann kündigte er einen Zoll auf mexikanische Waren in Höhe von 20% an. Das ist ökonomisch nicht mehr vernünftig, denn somit würde der Peso noch tiefer sinken, als er ohnehin schon ist. Dadurch würden wiederum die Ausfuhren aus Mexiko in die USA noch günstiger, was für die USA ein noch größeres Exportdefizit bedeuten würde.
Dies könnte man jetzt mit vielen Beispielen weiterführen, beispielsweise den Ausstieg aus dem Freihandel mit den asiatischen Ländern. So können wir im Grunde genommen nur warnen und hoffen, dass diese Ankündigungen sich nicht vollends bewahrheiten. Glücklicherweise kann er selber nur das Wenigste direkt durchsetzen, da er immer wieder die Zustimmung des Kongresses benötigt. Wir können nur hoffen, dass auf diese Weise einiges aufgehalten wird. Insgesamt ist dies – nicht nur für Amerika – die Ankündigung zu einem außerordentlich aufregenden Jahr 2017, welches die Welt politisch weiter verändern wird. Nach der Inauguration von Trump las ich im Handelsblatt dazu die Schlagzeile „Welt ohne Führung“. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Ist Amerika noch die Führungsmacht? Sie haben ja unter Obama schon weitestgehend diese Position verloren. Ich war einigermaßen glücklich darüber, dass der mexikanische Präsident nun gesagt hat, mit Trump über die Mauer zu sprechen habe keinen Zweck. Ich war fast schon stolz darauf, dass die BMW-Chefs gesagt haben, dass trotz aller Drohungen die Fabrik in Mexiko weitergebaut wird. Wir müssen nun zeigen, dass Europa sein Schicksal selbst in der Hand hat. Dafür müssen wir allerdings genauso zeigen, dass wir auch in der Lage sind dieses Schicksal in die Hand zu nehmen.
Die drei Aufgaben Europas
Aus meiner Sicht gibt es dazu drei große Aufgaben. Zum einen müssen wir endlich für unsere eigene Sicherheit sorgen. Zurzeit sind weder Deutschland, noch ganz Europa, in der Lage unser Land, beziehungsweise unseren ganzen Kontinent, zu schützen. Aktuell sind wir dazu noch auf die Amerikaner angewiesen. Diese Zeit geht nun zu Ende, was bedeutet, dass wir in Europa unsere gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiter aufbauen müssen. Schritt für Schritt werden wir diesen Weg nun gehen müssen. Das wird teuer, denn wir – insbesondere Deutschland – halten momentan unsere Zusagen nicht ein, die wir der NATO gegeben haben. Wir haben zugesagt, dass jeder Mitgliedsstaat 2 Prozent seines Bruttosozialprodukts zur Verteidigung beiträgt. Das tun aber bis jetzt nur die Engländer, die Esten und die Griechen. Wir leisten lediglich 1,2%. Das hört sich wenig an, bedeutet aber letztendlich einen Verteidigungshaushalt von 36 Milliarden Euro. Diesen gilt es jedoch auf 60 Milliarden Euro hochzuschrauben.
Man muss sich das mal verbildlichen: Wir sind 28 Staaten in Europa. Wenn man die Verteidigungshaushalte aller 28 Staaten addiert, kommt man auf 50 Prozent des amerikanischen Verteidigungshaushaltes. Noch fataler kommt es, wenn man nach dem Ergebnis der Verteidigungshaushalte fragt. So liegt die europäische Verteidigungskraft bei rund 10 Prozent der amerikanischen. Das heißt, wir haben 50 Prozent der Ausgaben der Amerikaner und erreichen damit nur 10 Prozent des Ergebnisses der Amerikaner. Das liegt daran, dass jeder für sich investiert und es an Synergien fehlt.
Die zweite große Aufgabe in Europa ist das Thema Flüchtlinge und Migration. Hier stellt sich folgende Frage: Gelingt es uns, den Staaten, aus denen die Leute flüchten da sie dort keine Zukunft haben, so zu helfen, dass sie in eine andere wirtschaftliche Lage kommen? Das ist im Grunde die gewaltigste Aufgabe. Im mittleren Osten soll die Bevölkerungszahl bis 2050 um das Doppelte steigen. Dann werden dort 375 Millionen Menschen leben. In Afrika hatten wir im Jahre 1950 nach den damaligen Zählungen 250 Millionen Einwohner. Im Jahr 2016 haben wir dort 1,1 Milliarden. Nach den vorhandenen demografischen Daten werden dies im Jahr 2050 2,2 Milliarden sein. Wir reden hier von 2,2 Milliarden Menschen, die überwiegend keine berufliche Zukunft haben. Hier in Europa werden voraussichtlich 700 Millionen Menschen leben, und es werden immer weniger. Wir haben also über 2 Milliarden Menschen, die in Europa eine Perspektive sehen. Dort wo es immer weniger Menschen gibt, die reicher werden. Auf jeden Fall reicher als der Durchschnitt der Bevölkerung in Afrika. Wenn man das ändern will, braucht man eine andere Politik.
Das dritte große Thema sind fehlende Investitionen. Es gibt kaum ein Land auf der Welt, dem es zurzeit besser geht als Deutschland. Unter den ersten fünf Ländern, denen es vergleichbar gut geht, ist Deutschland das mit den höchsten Sozialleistungen, mit der geringsten Arbeitslosigkeit und der geringsten Jugendarbeitslosigkeit, obwohl diese immer noch bei 6 Prozent liegt. In Griechenland und Spanien liegt sie jedoch bei 40 Prozent und in Frankreich und Italien bei knapp 30 Prozent. Und selbst in Schweden beträgt sie über 20 Prozent. Und genau das muss verringert werden. Trump hat damit in Amerika Recht, man muss einen Investitions-Boom in Gang setzen. Und wenn man dies erreichen will, muss man sich fragen, wie setzte ich das in Gang? Dazu muss ich als erstes ein Ziel setzen und dieses Ziel ist, aus meiner Sicht, eine Europäische-Energie-Union und eine Europäische-Digital-Union. Wir brauchen wirklich einen Markt in Europa. Einen Markt für Energie. Aus Klimaschutzgründen und für Digitales, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Vergleich zu den anderen großen Weltregionen zu sichern. Wenn man das wirklich will, ist das ein Investitionsvolumen – allein um die Infrastruktur herzustellen – von 3 Billionen Euro und dieses Geld muss man privat mobilisieren. Wenn man das erreichen will, muss man natürlich einen Markt in Europa schaffen, einen Standard schaffen für Digitales, für Datenschutz aber auch alles andere. Wir reden in Deutschland immer von Datenschutz, wir brauchen aber auch die Verwendung von Daten, den Dateneinsatz und die Datennutzung. Für all das gilt es gemeinsame Standards zu setzen.
Dieses Europa ist wirtschaftlich noch die stärkste Region der Welt. Wir machen zwar nur 7 Prozent der Weltbevölkerung aus, sind aber wirtschaftlich stärker als die USA und noch knapp stärker als China und dies gilt es zu sichern. Dazu gehört auch, dass wir mit Investitionen aus Südeuropa dies in Gang setzen. Sodass die Geldpolitik in Europa wieder unabhängig von der Tagespolitik werden könnte und in der Lage ist rational zu handeln.
Dies alles gilt es in Europa zu bewerkstelligen. Das sind gewaltige Aufgaben, da darf kein Verzug eintreten.
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