„Fußball ist das Leben in 90 Minuten“ – Urs Meier, ehemaliger Fußballschiedsrichter, im Interview
1995 erhielt Urs Meier seinen ersten „Schiedsrichter des Jahres“-Award und stand bei vielen entscheidenden Fußballpartien auf dem Spielfeld. Heute, sechs Awards weiter, steht er auf der Bühne und hält bei zahlreichen Veranstaltungen Vorträge zum Thema „Entscheidungen treffen“. In diesem Interview, geführt von unserem Senior-Partner Alexander Hornikel, erfahren Sie, was Urs Meier zu seiner Karriere als Schiedsrichter bewegt hat, wie er seine eigenen Unternehmen aufbaute und was der Zusammenhang zwischen Fußball und der Wirtschaft ist.
Als Schweizer Schiedsrichter-Ikone standen Sie schon auf Weltmeisterschaften und in Champions-League-Endspielen auf dem Platz. Bis dahin war es ein weiter Weg – Wie kam es zu Ihrer Schiedsrichter-Laufbahn?
Zuerst durch die Liebe zum Fußball und dann sicher durch meinen Ehrgeiz es ganz an die Spitze zu schaffen. Da ich mit 14 Jahren zur Erkenntnis kam, dass meine fußballerischen Fähigkeiten nicht ausreichen werden, um bis ganz nach Oben zu kommen, habe ich mich entschieden die Laufbahn als Schiedsrichter einzuschlagen.
Um den Schiedsrichterlehrgang zu machen musste man mindestens 18 Jahre alt sein, deshalb spielte ich weiter in meinem Stammverein dem SV Würenlos Fußball und brachte es immerhin in dieser Zeit zum Stammspieler und Spielführer der 1. Mannschaft (3. Liga).
Welche Entscheidungen haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten beeinflusst?
Immer wieder gab es Entscheidungen bei welchen es um die Menschen ging, d.h. um Beförderungen, Einstellungen aber vor allem auch um Entlassungen von langjährigen Mitarbeitern. Auf dem Spielfeld waren es ebenfalls menschliche Entscheidungen, wie Verwarnungen oder Ausschlüsse, welche dem Spieler die Teilnahme am Finale vereitelten.
Da ich viele Halbfinal-Rückspiele geleitet habe, waren da auch einige dabei (Roy Kean + Paul Scholes Manchester United Champions-League-Final 1999, Michael Ballack WM-Final 2002, Pavel Nedved Juventus Turin Champions-League Final 2003, Akis Zikos AS Monaco Champions-League Final 2004). Das tat immer weh, denn als Fußballer gibst du alles dafür, einmal bei einem solchen Spiel dabei zu sein. Zum Glück werden die Karten jetzt nach den Viertel-Finalspielen gestrichen, damit eine solche Situation gar nicht mehr vorkommen kann.
Welches Spiel hat Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geprägt und warum?
Sicher das Viertel-Finalspiel an der EURO 2004 Portugal-England, nach welchem ich von der englischen Boulevard-Presse als Sündenbock abgestempelt wurde, obwohl mein Entscheid der richtige war, ich vier Tage die Titelseite der Sun zierte und über 16.000 Morddrohungen erhielt. Wenn du durch dieses Stahlbad, welches dir auch zeigt, wo Deine Freunde und „Feinde“ sind, durchgehst, bist du so stark, dass es noch einen größeren „Orkan“ bräuchte, um dich aus der Spur zu bringen.
Welche Anekdoten aus Ihrer Schiedsrichter-Karriere sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Da kommt mir immer die Begegnung mit Georg Bregy in den Sinn, welcher dazumal bei den Berner Young Boys gespielt hat. Es war eine Begegnung zur Osterzeit in seiner Heimat dem Wallis in Sion, als er nach rund einer halben Stunde zu mir kam, nachdem er mich in den ersten 20 Minuten gelobt hatte und sagte: „Du pfeifst heute wie ein Osterhase!“ Es hat einfach gepasst und ich muss heute noch schmunzeln, wenn ich an diese Situation denke.
Bei knapp 900 Spielen die Sie geleitet haben trafen Sie bestimmt nicht immer die richtigen Entscheidungen. Wie sind Sie mit Fehlentscheidungen umgegangen und was kann die Wirtschaft davon lernen?
Das Wichtigste ist immer, dass du ehrlich bist. Ehrlich mit dir und dem was du tust. Solange die Entscheidungen, welche du treffen musst ehrlich sind, d.h. nicht von außen beeinflusst werden, keine Kompensations- oder Konzessionsentscheidungen sind, also von Innen vom Herzen her kommen, so lange bist du eigentlich nicht angreifbar. Sie können dich zwar kritisieren, deine Entscheidungen in Frage stellen, doch als Person selber bleibst du stark. Solche Fehlentscheidungen tun natürlich weh, doch kann man sie viel schneller aufarbeiten und vergessen.
Wie bewahrt man während eines hitzigen Spiels einen kühlen Kopf?
In dem man seiner eigenen Stärke, seinem Können, vertraut. Das heißt aber auch, dass man menschliche und fachliche Qualitäten haben muss, welche der Liga angepasst sind, sonst kann es ganz schnell zu einer Überforderung kommen und die Souveränität ist schnell verloren.
Wie geht man als Schiedsrichter mit heftiger Kritik der Spieler sowie Zuschauer um?
In dem man ruhig und souverän bleibt, nicht hektisch wird, sondern mit langsamen, offenen Bewegungen und Blick auf Augenhöhe, den Spielern und dem Publikum begegnet.
Wie erfolgte der Sprung vom Schiedsrichter-Dasein zum Unternehmer?
Da ich spürte, nur als eigenständiger Unternehmer habe ich die Freiheiten, welche mir gestatten würden, mein Hobby professionell auszuführen, war mir klar: Du musst ein Geschäft gründen.
Dies habe ich dann 1986 gemacht. Daraus sind die Urs Meier Haushaltgeräte AG und Mundart Küchen + Haushaltgeräte AG entstanden. Beide habe ich unterdessen verkauft und führe jetzt die Urs Meier Management AG, die Sportbird GmbH und die SportCare GmbH.
Sie stehen als gefragter Redner bei verschiedenen Veranstaltungen auf der Bühne. Welche Parallelen sehen Sie zwischen der Fußballwelt und der Wirtschaft?
Viele! Ich sage immer wieder: Fußball ist das Leben in 90 Minuten. Als Leader in der Wirtschaft benötigst du genau dieselben Eigenschaften, wie als Top-Entscheider im Fußball, sei es als Trainer, Präsident oder eben Schiedsrichter.
Welche Tipps haben Sie für Menschen denen es schwer fällt Entscheidungen zu treffen?
Sofort damit zu beginnen. Es ist wie Laufen lernen, man fällt zuerst ca. 1500-mal hin, bevor man Laufen kann. Man muss zuerst Entscheidungen treffen, damit man merkt und spürt, wie gut es sich anfühlt, wenn man entscheidet.
Vielen Dank für das Interview!