Russen zahlen für deutsche Produkte höhere Preise
Russen zahlen mehr
Die Düsseldorfer Einkaufsberatung Kloepfel Consulting berät verstärkt deutsche Unternehmen, die sich für Russland als Absatzmarkt interessieren und auch damit liebäugeln, dort eigene Produktionsstätten aufzubauen. Geschäftsführer Marc Kloepfel erklärt im Interview mit dem Creditreform-Magazin, für welche Branchen es sich in Zeiten von Sanktionen überhaupt lohnt, warum der extrem schwache Rubel kein großes Hindernis ist — und wieviel Firmen maximal investieren sollten.
Creditreform-Magazin: Herr Kloepfel, wie stehen Sie eigentlich zu den EU-Sanktionen gegenüber Russland?
Kloepfel: Da ist schwierig, pauschal zu beantworten. Für die deutsche Wirtschaft gibt es Vor- und Nachteile, auf den deutschen Mittelstand wirken sich die Sanktionen negativ aus. Klar, die Sanktionen sind eine Reaktion auf eine Aktion. Ich persönlich halte die Sanktionen jedoch für übertrieben, auch wenn sie im gewissen Maße zu rechtfertigen sind. Aber insgesamt helfen sie niemandem.
Ist das Geschäftsmodell, also die Beratung deutscher Firmen bei der Niederlassung in Russland, erst durch die Sanktionen entstanden?
Kloepfel: Nein, den Bedarf gab es auch bereits vorher. Die Sanktionen machen es sogar eher komplizierter. Es existieren in einigen Bereichen große Chancen und es gibt einige Bereiche, die zurzeit überhaupt nicht funktionieren.
Aber einige Firmen, die vorher nur exportiert haben, denken doch erst jetzt darüber nach, eine Produktion dort aufzubauen …
Kloepfel: Das stimmt, insbesondere für Firmen aus dem Bereich der Lebensmittelindustrie ist das jetzt relevant. Viele Produkte die auf der Sanktionsliste stehen, ob Milch, Obst oder Fleisch, dürfen momentan nicht mehr geliefert werden. Deutsche Zulieferer, die ihre Produkte nicht mehr liefern können, haben einen großen Ausfall an Erträgen – obwohl deren Qualität in Russland sehr beliebt ist. Die einzige Chance, die sie momentan haben, ist eine Produktion in Russland aufzubauen. Da die Regierung mit Macht eine lokale Produktion aufbauen will, gibt es dafür jetzt auch viele Beihilfen.
Die russische Wirtschaft hat jedoch große Probleme. Sollten deutsche Firmen zurzeit nicht besser einen Bogen um Russland machen?
Kloepfel: Es ist immer die Frage, wie es in Russland weitergeht. Die politische Lage war dort noch nie einfach, die Beziehungen zu Deutschland waren in den vergangenen Jahren jedoch immer gut. Außerdem sind deutsche Unternehmen dort sehr beliebt. Die aktuelle politische Lage wird sich auch wieder ändern und wenn Unternehmen jetzt einen Bogen um Russland machen, dann machen sie das dauerhaft. Das kann sich die deutsche Wirtschaft aber nicht erlauben, da es Russland weiterhin ein großer Wirtschaftsmarkt ist. Darüber hinaus haben viele Mittelständler intensive Beziehungen zu Russland unterhalten, die nicht komplett abgebrochen werden sollten. Zu guter Letzt: Russland braucht zudem die deutsche Wirtschaft.
Inwiefern?
Kloepfel: Da chinesische und türkische Firmen, die in die Lücke stoßen, bei weitem nicht die Qualität und das Standing haben wie die Deutschen.
Müssten sich Firmen nicht wenigstens temporär zurückhalten oder wäre dies ein Fehler?
Kloepfel: Es kommt ganz stark auf den Bereich an. Zum Beispiel können sich russische Unternehmen wegen des niedrigen Rubels keine deutschen Maschinen mehr leisten. Daher bleibt es Maschinenbauern zurzeit nichts anderes übrig als abzuwarten. Bei einem Lebensmittelhändler, der auch immer schon aus logistischen Gründen draufzahlen musste, sieht die Sache ganz anders aus. Dem würde ich raten, die Position auf dem russischen Markt jetzt weiter auszubauen, da zurzeit die Möglichkeit besteht Marktanteile von Konkurrenten zu übernehmen.
Ist der schwache Rubel aber nicht das Problem, weil sich die Russen zurzeit nur wenig leisten können?
Kloepfel: Da kommt es halt darauf an, ob man in Russland oder im Ausland produziert. Wenn man in Russland produziert, ist der schwache Rubel nur bedingt schwach, da sie Arbeitskräfte und Rohstoffe auch in Rubel einkaufen. Ein gewisser Aufschlag auf deutsche Produkte wird zudem auch weiterhin bezahlt – gerade im Lebensmittelbereich sind die Russen bereit dafür mehr zu bezahlen. Das Durchschnittseinkommen ist natürlich gesunken, dennoch es gibt noch einen großen Mittelstand und eine Oberschicht, die das nötige Geld haben.
Wie bewerten Sie die Kaufkraft dieses Klientels?
Kloepfel: Die ist weiterhin vorhanden. Auch die normale einfache Bevölkerung, die Kartoffeln, Brot und Milch kauft, spürt von der Krise relativ wenig, weil sie inländische Produkte kaufen. Massiv gestiegen sind die Preise für High-Tech-Geräte aus dem Westen oder Autos. Da läuft der Wechselkurs natürlich komplett rein.
Können Subventionen der russischen Regierung für inländische Produktionen auch deutsche Unternehmen anlocken?
Kloepfel: Auf jeden Fall, denn die russische Regierung versucht massiv eine Lokalisierungspolitik zu fahren. Zum Beispiel ist der russische Maschinenbau fast nicht existent. Auch die Lebensmittel-, vor allem die Fleischindustrie, war bis zuletzt sehr stark importgetrieben. Es wird jetzt alles stark aufgebaut, um den lokalen Bedarf abdecken zu können und das klappt nur, wenn es Anreize gibt
Um welche Größenordnung bei den Subventionen handelt es sich da?
Kloepfel: Das ist schwierig zu sagen. Aber es gibt zahlreichen Beihilfen und Steuerfreiheiten, zum Beispiel im Lebensmittelbereich. Da ist wiederum von Region zu Region wieder unterschiedlich.
Für welche Branchen neben der Lebensmittelindustrie lohnt es sich noch?
Kloepfel: Für den Maschinenbau, der wie bereits erwähnt, fast nicht existent ist in Russland. Auch im Gesundheitsbereich gibt es viele Initiativen, damit der Medizintourismus reduziert wird. Russische Patienten lassen sich bisher lieber in Deutschland behandeln. Es sollen bessere Kliniken aufgebaut werden, so dass gerade stark in Medizintechnik investiert wird. Auch das Thema Telemedizin spielt eine große Rolle. Ebenso wird der Pharmabereich von der Politik sehr stark lokalisiert, damit sich mehr Unternehmen in Russland ansiedeln. Dagegen ist
Welche Branchen sollten es nicht machen?
Kloepfel: Die Automobilindustrie ist momentan sprichwörtlich tot, da die Bänder zurzeit still stehen. Das kann aber wiederum eine Chance für Unternehmen sein, die in Russland einkaufen möchten. Zum Beispiel in China, Indien und Südostasien gibt es dagegen massive Preissteigerungen. Durch den niedrigen Rubel und aufgrund freier Produktionskapazitäten einiger hochwertiger Lieferanten haben Einkäufer gerade in einigen Bereichen sehr gute Möglichkeiten.
Wo setzen Sie als Beratungsunternehmen an, wenn es um Produktionsverlagerung nach Russland geht?
Kloepfel: Bei der Beschaffung geht es darum, die Lieferanten in Russland zu finden und die notwendigen Prozesse so zu etablieren, dass die Lieferung nach Deutschland funktioniert. Da sind wir zurzeit für einige Unternehmen tätig, die ihre Beschaffung von China nach Russland verlagern wollen, da China einfach zu teuer ist – etwa bei Holzerzeugnissen. Bei der Niederlassung in Russland helfen wir im ersten Schritt dabei, in welche Region das Unternehmen gehen sollte.
Wohin sollte man denn zurzeit gehen?
Kloepfel: Das ist schwierig zu sagen, das hängt ganz von der Branche ab. Dann kommt es darauf an, ob bereits die Logistik, zum Beispiel Wasserwege, Straßen oder Flughäfen vorhanden sind. Die Industriecluster befinden sich aber fast alle im Westen und nicht unbedingt in Sibirien. Zudem kommt es darauf an, wo es von welchem Gouverneur welche Beihilfen gibt. Wir verfügen über ganz gute Beziehungen zu vielen Regierungsorganisationen. Es ist ganz wichtig zuerst über diese Kontakte zu gehen, um zu sehen, wo sich welches Entgegenkommen erwarten lässt und wo nicht.
Müssen Unternehmen einen gewissen Umsatz haben, um den Schritt nach Russland zu wagen?
Kloepfel: Jeder Firma würde ich das sicherlich nicht empfehlen, es muss schon eine gewisse Größe haben. Aber als Hersteller für Maschinenbaukomponenten mit einem Kundenstamm in Russland lohnt es schon ab zwei, drei Millionen Euro Jahresumsatz. Bei einem Käseproduzenten sollten dagegen mindestens fünf bis zehn Millionen Euro Umsatz möglich sein, damit sich der weite Weg auch lohnt.
Wie hoch sind denn die Risiken?
Kloepfel: Russland ist natürlich ein korruptes Land mit deutlich höheren Risiken als in Deutschland. Die haben sie aber in Indien und China auch.
Das hört sich nicht sehr verlockend an …
Kloepfel: Ein Mittelständler, der noch nie ins Ausland geliefert hat, sollte auch sicherlich nicht in Russland starten. Aber für Mittelständler mit Erfahrungen in Osteuropa, Asien oder Südamerika ist Russland kein Markt, auf dem die Dinge irgendwie anders laufen. Ich muss mir aber schon bewusst sein, das in Russland natürlich Korruption herrscht, das es dort schlechtere Logistikwege gibt und dass die Mitarbeiter eine andere Arbeitsmoral haben als in Deutschland. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das aber auch nicht besser oder schlechter.
Reicht es aus, sich diesen Risiken bewusst zu sein?
Kloepfel: Das ist der erste Schritt, aber ich muss mich natürlich auch entsprechend absichern. Das heißt, ich muss Kontrollinstrumente einführen und darf mich nicht komplett darauf verlassen, dass die Mitarbeiter vor Ort alles zu meiner Zufriedenheit regeln. Das ist bei Auslandsniederlassungen aber immer so.
Gibt es eine Grenze, wieviel ein Mittelständler gemessen am Jahresumsatz maximal investieren sollte?
Kloepfel: Da würde ich nicht den Jahresumsatz als Maßstab nehmen. Aber das Unternehmen sollte nicht mehr als ein- bis zweimal den Jahresertrag investieren, den es in der Vergangenheit in Russland erwirtschaftet hat
Was ist, wenn die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. War es dann nicht unnötig, dort eine eigene Produktion aufzubauen?
Kloepfel: Nein, der Trend zur Lokalisierung wird immer weitergehen. Russland war, zum Beispiel im Vergleich zu China, in diesem Bereich extrem rückschrittlich. Die Unternehmen werden künftig immer mehr gezwungen, die Produkte dort herzustellen, weil sie sonst mit relativ hohen Zöllen bedacht werden.
Aber vor den Sanktionen haben Unternehmen – Russen – diese Zölle doch auch in Kauf genommen?
Kloepfel: Wenn eine Firma jedoch einmal im Land ist, hat sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen. Wir reden ja nicht nur von verbotenen Produkten aufgrund der Sanktionen, wir reden vor allem von vielen Produkten, die mit extrem hohen Zöllen bedacht werden. Die Sanktionen werden irgendwann wieder aufgehoben, doch ob das bei den Zöllen auch so ist, bezweifle ich. Eine Freihandelszone zwischen Russland und der EU wird es vorerst nicht geben.
Quelle: www.creditreform-magazin.de
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