Liquiditätsklemme? Working Capital Management einfach erklärt!

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen aufgrund von Störungen in der Lieferkette ihre Bestände erhöht, um die Lieferfähigkeit abzusichern. Mit der gedrehten Konjunktur haben sich die Prioritäten grundlegend geändert. Angesichts deutlicher Auftrags- und Umsatzrückgänge sowie teurer Finanzierungen gewinnt das in den Beständen gebundene Kapital an Bedeutung. Neben der gezielten Steuerung von Beständen, können optimierte Zahlungsfristen bei Forderungen und Verbindlichkeiten die Liquidität eines Unternehmens maßgeblich verbessern. In diesem Artikel bieten wir Ihnen eine praxisorientierte Handreichung zur Optimierung des Umlaufvermögens.

Das Nettoumlaufvermögen bezieht sich auf die Differenz zwischen dem Umlaufsvermögen auf der Aktivseite und dem kurzfristigen Fremdkapital auf der Passivseite. Zum Umlaufsvermögen gehören die kurzfristigen Vermögenswerte bestehend aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Debitoren), liquiden Mitteln und Lagerbestand. Zum kurzfristigen Fremdkapital zählen die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und kurzfristigen Kredite. Übersteigt das Umlaufsvermögen das kurzfristige Fremdkapital, so muss das Unternehmen das notwendige Kapital aufbringen, um das operative Geschäft mit genügend finanziellen Mittel zu versorgen. Die Optimierung der (Lager-)Bestände ist eine der zentralen Stellschrauben zur Steuerung des im Umlaufsvermögen gebundenen Kapitals.

Strategien zur Optimierung der Bestände

Korreliert der Bestand mit dem Bedarf?

In der heutigen Geschäftswelt steht der Einkauf häufig vor der Herausforderung, den Balanceakt zwischen überschüssigen Waren und leeren Lagerregalen zu meistern. Eine präzise Bedarfsplanung kann hierbei den Unterschied machen. Idealerweise wird eine robuste Absatzplanung in die Produktionsplanung überführt und anschließend daraus eine belastbare Beschaffungsplanung abgeleitet unter Berücksichtigung des vorhandenen Lagerbestands. Diese S&OP ist mit vielen Unwägbarkeiten verknüpft. Gezwungenermaßen nutzen Unternehmen ihre historischen Verkaufs- und Einkaufsdaten. Diese mit modernsten Prognosetools kombiniert, macht es möglich, den zukünftigen Bedarf recht gut zu modellieren. Dieser Ansatz ermöglicht es, Mengenkontrakte und Abrufbestellungen rechtzeitig in benötigter Höhe auszulösen.

Die Vorteile? Keine überflüssigen Bestände mehr, die wertvolles Kapital binden, und gleichzeitig ein Ende unerwarteter Lieferengpässe, die den Betriebsablauf stören könnten.

Wie werden aktuelle Überbestände optimiert?

Lagerpositionen mit Überständen haben einen sogenannten Bodensatz, der sich im Laufe der Betrachtungsperiode nicht bewegt und über den benötigten Sicherheitsbestand hinaus geht. Der Sicherheitsbestand hilft mit Schwankungen und Risiken auf der Absatz- und der Beschaffungsseite auszugleichen. Die Höhe der Sicherheitsbestände hängt von der Länge des Widerbeschaffungszyklus ab; in einem kürzeren Beschaffungszyklus (bspw. monatlich vs. Quartal) ist grundsätzlich der Ausschlag geringer und damit der benötigte Sicherheitsbestand. Die Wiederbeschaffungszeiten hatten sich durch die letzten Lieferkettenschocks teilweise stark verlängert, was grundsätzlich zu höheren Sicherheitsbeständen und einer erhöhten Kapitalbindung geführt hat. In enger Kooperation mit den Lieferanten sind die Wiederbeschaffungszeiten nun wieder zu verkürzen und zu optimieren.

Praxistipps:

  • Planlieferzeiten in den ERP-Systemen monatlich prüfen und aktualisieren.
  • Beschaffungszyklen nach Wertigkeit und Gängigkeit der Ware differenzieren.

Werden die richtigen Tools und Kennzahlen genutzt?

Passende Kennzahlen und sorgfältige Analysen sind entscheidend für den Erfolg. Dabei müssen die Kennzahlen auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele jedes Unternehmens zugeschnitten sein. Bei Lagerbeständen sind die wichtigsten Kennzahlen: Lagerumschlag, Lagerreichweite und Eindeckungsquote.  Dabei werden aktuelle Lagerbestände monatlich mit den rollierenden Verbrauchs- oder Abgangswerte über die letzten 12 Monate ins Verhältnis gesetzt.

Moderne, maßgeschneiderte Analyse-Tools bieten die Möglichkeit, diese Kennzahlen in den Mittelpunkt zu rücken. Sie helfen dabei, laufend Sicherheitsbestände präzise zu kalibrieren und den idealen Lieferzeitpunkt festzulegen. Mit ihrer Hilfe können Einkäufer Daten methodisch auswerten, aufkommende Trends erkennen und zukünftige Bestandsbedürfnisse präzise vorhersagen. Dies führt nicht nur zu einer Reduzierung der Lagerkosten, sondern auch zu einer effizienteren Kapitalbindung.

Praxistipps:

  • Einführen von aussagekräftigen Kennzahlen
  • Regeltermine zum Nachhalten der abgleitenden Maßnahmen abteilungsübergreifend aufsetzten

Sind Auftragseingänge und Verbrauchswerte aufeinander abgestimmt?

Die moderne Geschäftswelt steht vor der Herausforderung, sich ständig ändernden Auftragsvolumina und Verbrauchswerten anzupassen. Die zugrundeliegende Volatilität der Nachfrage – oft durch marktbedingte Schwankungen geprägt – erfordert präzise und schnelle Anpassungen in der Bestellpraxis. Hierbei spielen digitale Analyse- und Prognose-Tools eine entscheidende Rolle. Sie erlauben es Unternehmen, potenzielle Nachfrageschwankungen im Vorfeld zu erkennen und adäquate Strategien zu entwickeln.

Die Antwort auf diese unbeständige Marktlandschaft liegt in adaptiven Produktions- und Bestellverfahren. Das Spektrum reicht von Echtzeitanalysen relevanter Kennzahlen bis hin zu flexiblen Lieferkettenstrategien, die sich an aktuellen und zukünftigen Verbrauchstrends orientieren. Ein weiterer kritischer Punkt in dieser Dynamik ist die fortwährende Kommunikation zwischen den Einkaufs- und Vertriebsteams. Ein zentrales Augenmerk sollte hierbei auf den Cash-to-Cash-Cycle (Days of Net Working Capital Employed) gelegt werden, der sich als wichtige Kenngröße etabliert hat.

Wird entlang Ihrer Lieferkette ausreichend kommuniziert?

Kleine Unregelmäßigkeiten in der Kundennachfrage können sich in der Lieferkette potenzieren, was zu erheblichen Ineffizienzen führen kann. Ein bekanntes Phänomen, das oft als Bullwhip-Effekt bezeichnet wird. Zur Bekämpfung dieses Effekts ist eine koordinierte Kommunikation zwischen allen Beteiligten der Lieferkette unerlässlich.

Praxisbeispiel: Explizierte Produktionsfreigabe beim Lieferanten trotz vorhandener Kontrakte, um flexibel auf unvorhergesehene Nachfrageschwankungen zu reagieren.

Dies umfasst transparente Informationswege, abgestimmte Planungsverfahren und die Implementierung gemeinsamer Technologieplattformen. Darüber hinaus können integrierte Kanban-Systeme, Konsignationslager und die Ausdehnung von Zahlungszielen als effektive unterstützende Maßnahmen dienen, um den Informations- und Warenfluss in der gesamten Kette zu optimieren.

Sind Risiko- und Supply-Chain-Management aufeinander abgestimmt?

Für Unternehmen, die ihre Working-Capital-Effizienz steigern möchten, ist die Berücksichtigung von Lieferkettenrisiken in ihrer Strategie von entscheidender Bedeutung. Dieser tiefe Blick in die Lieferketten dient der frühzeitigen Erkennung und Bewältigung potenzieller Stolpersteine, sei es durch Störungen in der Lieferkette oder durch Qualitätsprobleme. Im Kern jeder Strategie zur Optimierung des Working Capital sollte das Ziel stehen, einen Bestand zu führen, der den Bedarf effizient deckt und gleichzeitig potenzielle Risiken minimiert. In diesem Zusammenhang können Maßnahmen wie die Diversifikation von Lieferanten und die Einführung von Sicherheitsbeständen dazu beitragen, ein Unternehmen agiler und robuster gegenüber Marktveränderungen zu gestalten.

Wie integriere ich Lieferanten?

Eine typische Klassifizierung der Waren nach Wertigkeit und Gängigkeit des Bedarfs hilft differenzierte und effektive Ansätze bei der Integration von Lieferanten zu identifizieren.

In der Lagerbestands- und Kapitalbindungsoptimierung kommt häufig ein verbrauchsgesteuerter Ansatz wie Kanban-Lösungen zum Einsatz, bei dem die Materialversorgung durch den tatsächlichen Verbrauch ausgelöst wird. Die produktionssynchrone Anlieferung von höherwertigen Serienmaterial zielt darauf, Materialen genau zum Zeitpunkt des Bedarfs bereit zu stellen, um teure Lagerkosten zu vermeiden.

Die Beschaffung von Sonderbedarfen erfolgt ausschließlich bei nachgewiesenem Bedarf und die Beschaffung wird häufig an spezialisierte Dienstleister ausgelagert. Der Einkauf von Projektbedarfen richtet sich nach den spezifischen Projektanforderungen, dazu sind flexible Lieferanten gefragt, die in der Lage sind, schnell zu liefern. Eine frühe Einbindung des Einkaufs ermöglicht insbesondere die rechtzeitige Beschaffung von Langläufern.

Verhandlungen über die Rückführung überzähliger Lagerbestände haben sich als wichtiger Bestandteil im Working Capital Management herausgestellt. Ein offener, von Daten getriebener Dialog mit Lieferanten kann dabei helfen, mögliche Win-Win-Szenarien zu identifizieren.

Ein weiterer bedeutender Ansatz im Einkauf ist die Nutzung von Konsignationslagern. Bei diesem Modell bleibt das Inventar im Eigentum des Lieferanten, bis es tatsächlich abgesetzt wird. Wichtig bei der Umsetzung solcher Lagerlösungen sind detaillierte Abkommen, welche alle Rechte, Verpflichtungen und Zuständigkeiten präzise festlegen. Eine solche Klarheit stärkt nicht nur das gegenseitige Vertrauen, sondern minimiert auch mögliche Missverständnisse. Bei der Abwicklung von Konsignationslagern ist eine verbrauchsabhängige Abrechnung der zu wählende Ansatz.

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