Studie: Maschinen wichtiger als Menschen?
Autor: Osman Cetinkaya
Datum: 23.01.2017
Viele Topmanager sehen in der Digitalisierung eine größere Chance als in ihren Mitarbeitern
Eine neue Studie von Korn Ferry hat ergeben, dass die richtige Software für viele Unternehmen wichtiger ist als ihre Mitarbeiter. Viele Führungskräfte gaben dabei an, dass die Mitarbeiter viel mehr ein Kostenfaktor als ein Vermögenswert seien.
In beinahe jeder Rede betonen sowohl Verbandspräsidenten als auch Politiker wie wichtig das Humankapital sei. Doch wie wichtig sind die Mitarbeiter den Führungskräften wirklich?
Korn Ferry befragte 800 Spitzenmanager auf der ganzen Welt dazu, wie wichtig ihre Beschäftigten für ihr Unternehmen sind. Etwa zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) gaben an, dass Angestellte vor allem ein Kostenfaktor für ihr Unternehmen sind und kein Vermögenswert. 67 Prozent waren sogar davon überzeugt, dass Technologien ihnen in Zukunft mehr Ertrag bringen würden als Humankapital. Dass sie seitens der Aktionäre unter Druck stehen, Mitarbeiter durch Maschinen zu ersetzen, gaben 40 Prozent der Führungskräfte an.
Schuld an solchen Aussagen ist vor allem die Digitalisierung, die einen starken Veränderungsdruck auf die Führungskräfte ausübt und damit ganze Branchen umpflügt. Der Fokus und die Angst der Führungskräfte, den technologischen Anschluss zu verpassen, sind entsprechend groß. „Top-Manager von heute haben vor allem eine Priorität: Ihr Unternehmen fit für das anstehende digitale Zeitalter zu machen“, sagt Hubertus Graf Douglas, Geschäftsführer von Korn Ferry in Deutschland. Das Hauptaugenmerk liege darauf, zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Produkte zu finden.
Die richtige Software ist essenziell um auch in der Zukunft auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Dabei ist es egal, ob ein Unternehmen nun aus der Autoindustrie oder der Versicherungsbranche stammt. „Viele bauen ihre Digital- und Technologiekompetenz an der Spitze gerade erst auf. Das bindet sie zeitlich heute deutlich stärker ein als noch vor fünf Jahren“, erklärt Graf Douglas.
Auf die Frage, was in 5 Jahren am ehesten über Wachstum und Wohlstand eines Unternehmens entscheidet, nannten die 800 Befragten auf Platz 1 die Technologie. Gefolgt von Forschung und Entwicklung. Auf Platz 3 stehen die Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Marke und Grundbesitz liegen erst dahinter auf Platz 4.
Doch eine reine Fixierung auf den Austausch von Menschen durch Maschinen birgt auch Risiken. Zum Beispiel stellen demotivierte Mitarbeiter ein großes Problem für Unternehmen dar. Auch im Hochtechnologiebereich gibt es Probleme. Roboter und künstliche Intelligenzen sind oft sehr betreuungsintensiv. Vom Faktor Markenvertrauen der Kunden ganz zu schweigen. „Berechnung hin oder her, der Wert von Humankapital ist nicht zu vernachlässigen“, sagt Carsten Brzeski, Chefökonom der ING DiBa. Am Ende seien es doch die Menschen, die die Maschinen und Prozesse entwickeln.
„Technologie gewinnt an Bedeutung. Aber das heißt nicht, dass die Mitarbeiter weniger wertvoll werden. Ohne Mitarbeiter würden wir die Technologie auch gar nicht zum vollen Einsatz bringen“, sagt Gisbert Rühl, Vorstand beim Stahlhändler Klöckner. Rühl warnt davor die Digitalisierung als Lösung für alles anzusehen und dabei die Bedürfnisse der Mitarbeiter und der Menschen außerhalb des Unternehmens zu ignorieren.
„Technologie ist ein Produkt von Menschen. Insofern geht Technologie gar nicht ohne unsere Mitarbeiter“, so Marcus Schenck, Finanzvorstand bei der Deutschen Bank. „Wer hat die Technologie entwickelt?“, fragt Schenck. „Das sind die Menschen.“ Er geht davon aus, dass das Filialgeschäft mit Sicherheit an Bedeutung verlieren werde, allerdings wäre es falsch daraus zu schließen, dass Mitarbeiter unbedeutend wären.
Allerdings hat die Studie von Korn Ferry ergeben, dass 44 Prozent der Chefs internationaler Großunternehmen davon ausgehen, dass Menschen in Zukunft von Robotik, Automatisierung und Künstliche Intelligenz im Arbeitsleben der Zukunft „zum großen Teil“ abgelöst werden.
Momentan sieht es aber noch ganz anders aus: Humankapital ist weltweit viel wichtiger als der Wert von Maschinen, Anlagen, Soft- und Hardware. Zusammen mit Experten des britischen Centre for Economics and Business Research hat Korn Ferry das Leistungspotenzial der Menschen berechnen lassen. Laut den Berechnungen beträgt der Wert der Arbeitskraft aller Mitarbeiter weltweit 1215 Billionen Dollar (1140 Billionen Euro). Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hingegen liegt bei 3,4 Billionen Dollar.
Auf der ganzen Welt gibt es keine Ökonomie, in der die materiellen Bilanzpositionen auch nur annähernd einen so hohen Wert haben wie das menschliche Arbeitspotenzial. Laut den Berechnungen des Centre for Economics and Business Research, beträgt der Wert des physischen Kapitals in der weltgrößten Volkswirtschaft USA insgesamt 62 Billionen Dollar. Mit einem Wert von 244 Billionen Dollar ist das Humankapital etwa viermal wertvoller. Zum Vergleich: Die chinesischen Maschinen- und Anlagenparks ergeben zusammen eine Summe von 49 Billionen Dollar, der Wert der Leistungen aller Erwerbstätigen in China beträgt 110 Billionen Dollar.
Das indische Humankapital bringt es im Vergleich zum physischen Kapital nur auf einen Faktor von 1,7.
Zudem zeigt die Studie, dass mit einem steigenden Bildungsniveau auch der Wert der Arbeit und damit auch das Humankapital ansteigen. Umso höher die Qualifikation, desto wichtiger ist der Mensch im Vergleich zu den Maschinen. Die Investition in Qualifikation ist eine bewusste Entscheidung, die allerdings umgesetzt und nicht nur schöngeredet werden muss.
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