BME-Studie: Industrie 4.0 – Wie verändern sich die IT-Systeme in Einkauf und SCM?

Autor: Osman Cetinkaya
Datum: 09.03.2016

Feldmann: „Vielen Unternehmen fehlt noch eine konkrete Industrie-4.0-Strategie“

43 % erschaffen mittels Industrie 4.0-Applikationen und Strategien neue Märkte und Produkte

 
Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) hat eine neue Studie zum Thema Industrie 4.0 veröffentlicht. In der Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) wurden 168 Unternehmen im Zeitraum von November 2015 bis Februar 2016 aus Handel, Industrie, öffentlichen Institutionen und Dienstleistungsgewerbe befragt. Ergebnis dieser Studie, sowohl globalagierende Unternehmen als auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stufen die sich ergebenden technologischen Änderungen durch den Einsatz von Industrie 4.0 als besonders hoch ein. Dies wirke sich vor allem auf den verstärkten IT-Einsatz in Steuerung und Planung als auch bei der Automatisierung der Produktionsprozesse aus. Die Wichtigkeit von Einkauf und Supply Chain Management (SCM) bleibt allerdings weiterhin bestehen.

Während des in Düsseldorf stattfindenden 7. eLÖSUNGSTAG präsentierte der BME die neusten Ergebnisse seiner Studie „Industrie 4.0: Wie verändern sich die IT-Systeme in Einkauf und SCM?“. „Vielen Unternehmen fehlt noch eine konkrete Industrie-4.0-Strategie. Das wurde auch in der aktuellen Umfrage deutlich“, so der Hauptgeschäftsführer des BME, Dr. Christoph Feldmann. Aufgrund dessen stellt der BME die Wichtigkeit des Themas besonders in den Vordergrund seines Veranstaltungsprogrammes. „Die meisten der von uns befragten Unternehmen erhoffen sich durch den Einsatz von Industrie 4.0 eine Erhöhung der Produktivität und Effizienz ihrer Produktionssysteme. Die Beteiligung des Einkaufs an der dafür zu erarbeitenden Strategie hält sich zurzeit noch in Grenzen. Dabei sollte doch klar sein, dass die Digitalisierung der Wirtschaft ohne Einkauf und SCM in Deutschland nicht stattfinden wird.“, führt Feldmann weiter aus.

„Über Industrie 4.0 wird viel geredet und geschrieben – ein echter Hype. In der Breite wissen die Unternehmen aber bisher nicht, wie sie daraus Profit generieren und was für Lösungen sie entwickeln sollen; auch wenn es einige Best Practice-Unternehmen gibt“, äußert sich Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky, Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Industriebetriebslehre der Universität Würzburg, über die Studie. So fasst Bogaschewsky das Studienergebnis zusammen und erwähnt, dass es vielen Unternehmen an technischen Basislösungen im SCM fehle und der Stand des Risikomanagements in der Supply Chain im Ganzen gesehen als besonders bedenklich sei.

„Die jüngste Studie hat erneut gezeigt, dass zwischen den Unternehmen in Deutschland große Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes moderner IT-Tools im Bereich SCM bestehen. So¬mit hat sich ein erst kleinerer Teil von ihnen das technische Rüstzeug für weitergehende Entwicklun¬gen im Bereich Industrie 4.0 verschafft“, sagt der Professor der HTWK Leipzig, Prof. Dr. Holger Müller, über die Studie. 

Ergebnisse im Überblick:
Zusammengefasst sehen rund 83 % der Befragten den elektronischen Datenaustausch entlang der Supply Chain als besonders wichtig an. Unterschiede in Bezug auf die Unternehmensgröße werden bereits hier ersichtlich. Große Unternehmen stimmen diesem Aspekt zu 91 % zu, KMU hingegen zu 80 %. Somit ist die E-Supply Chain für kleine bis hin zu großen Unternehmen von enormer praktischer Bedeutung. Schaut man genauer ins Detail, so antworten die Befragen, dass rund 92 % einen elektronischen Austausch mit unterschiedlichsten Lieferanten führen. Mit großem Abstand folgt der Austausch mit logistischen Dienstleistern (51 %), Zollbehörde (41 %) sowie Finanzinstituten (40 %). Der Austausch zwischen großen Unternehmen und Lieferanten, im Vergleich zu KMU, ist lediglich in dieser Kategorie höher. Rund 96 % der Konzerne stimmen dem elektronischen Austausch zu, KMU lediglich 90 %. Bei allen anderen Untersuchungen liegt der prozentuale Wert bei KMU höher als bei großen Unternehmen. So beträgt der Wert für den elektronischen Austausch mit logistischen Dienstleistern für KMU bei etwa 54 %, bei Konzernen 46 %. Auch der Wert für den Austausch mit Zollbehörden (KMU 45 %, Konzerne 33 %) unterscheidet sich deutlich.

Das Ergebnis zur Unterstützung des Supply Chain Riks Management weist auf, dass kaum externe Informationssysteme für Risikomanagement in eigene Systeme integriert werden. Die Verwendung in relevantem Ausmaß wird grundsätzlich für statistische Datenbanken (31 %) und Pressemitteilungen (22 %) genutzt. Die Ad-hoc-Nutzung ist bei beiden Quellen mit 32 % und 42 % an erster Stelle. Allerdings erhält die „Event“-Datenbank (71 %) und die spezifische Web-Communities (83 %) kaum Anklang. Grundsätzlich ergeben sich aber keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Größen der Unternehmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die gewonnen Informationen nur zu 30 % in einem eigenen Frühwarn- bzw. Risikomanagementsystem verdichtet werden.

Auch die Auswirkungen der Industrie 4.0 auf die E-Supply Chain wurden während der Untersuchung genauer hinterleuchtet. Die Veränderungen durch Industrie 4.0 werden zu 18 % der Befragten als sehr hoch und 47 % als hoch bewertet. Vor allem werden Änderungen durch den verstärken IT-Einsatz in Steuerung, Planung, Automatisierung von Prozessen sowie Kontrolle erwartet und eine verbesserte Transparenz soll folgen. Die Untersuchung weist weiterhin auf, dass rund 48 % der Unternehmen über keine Industrie 4.0-Strategie besitzen. 38 % geben zu, eine grobe Strategie-Vorstellung zu haben und lediglich 9 % einen konkretisierten Plan. Rund 5 % geben zu, eine konkrete Strategie entwickelt zu haben. Über die Hälfte der befragten KMU (55 %) seien ohne Strategie, Konzerne immer noch 33 %. Inhaltlich beziehen sich die konkreten Strategien überwiegend (70 %) auf eine Erhöhung der Produktivität und Effizienz bestehender Produktionssysteme, gefolgt von 59 % in Bezug auf Flexibilitätserhöhungen bestehender Fertigungen. Den Kundenservice im bestehenden Umfeld zu verbessern, wird zu 53 % durch die Strategie angepeilt. Außerdem trauen sich rund 43 % der Befragten, mittels Industrie 4.0- Applikationen und Strategien neue Märkte zu erschließen und neue Produkte zu erschaffen.