Lieferantenverhandlungen optimieren
So erzielen Sie deutliche Preisreduzierungen
Im B2B-Bereich werden identische Produkte an unterschiedliche Kunden häufig zu unterschiedlichen Preisen verkauft. Das Preisniveau hängt nicht zwangsläufig von der bezogenen Menge ab, sondern hauptsächlich von der Verhandlungsstärke der eigenen Vertriebsmannschaft oder des Einkaufs. Der folgende Beitrag zeigt, wie Einkäufer eine erfolgversprechende Verhandlung aufbauen können.
I. Beispiel einer typischen Lieferantenverhandlung
Einkäufer haben oft wenig Zeit und sich den Lieferanten für eine Stunde terminiert. Nach einer Viertelstunde Small Talk packt der Lieferant einen Katalog aus und versucht den Einkäufer über neue Unternehmensprodukte zu informieren. Aufgrund der langen Zusammenarbeit möchte der Einkäufer an dieser Stelle nicht unterbrechen.
Besser Verhandeln
Nun kommt der Lieferant zu dem unangenehmen Teil des Gesprächs: Aufgrund der allseits gestiegenen Rohstoffpreise, der hohen Energiekosten und des letzten Abschlusses mit den Gewerkschaften müssen die Preise leider um 5 % steigen. Im nächsten Zug erinnert er an die hohen technischen Eigenschaften der Produkte, die gute Zusammenarbeit mit Herrn Schreyer aus der Produktion sowie die gute Lieferperformance.
Der Einkäufer befindet sich nun in einer Zwickmühle: Alternativen zu diesem Lieferanten werden von der Technik nicht akzeptiert und es ist seine Aufgabe für Liefersicherheit in der Produktion zu sorgen. Er versucht nun sein Gegenüber von der misslichen Lage des eigenen Unternehmens zu überzeugen und an die lange Zusammenarbeit zu erinnern. Letztlich einigt man sich auf eine Preiserhöhung von 2 %.
Der Einkäufer hat das aus seiner Sicht Bestmögliche erreicht. Ihm ist es jedoch nicht gelungen, den Lieferanten in den Glauben zu versetzen, jederzeit austauschbar zu sein. Warum?
- Fehlende Zeit (für strategische Beschaffungsaktivitäten, da der operative Einkauf Vorrang hat).
- Keine Unterstützung aus Technik und Produktion: Von diesen Abteilungen wird Qualität und Lieferperformance gefordert. Ist der Lieferant im Dialog mit dem Einkauf nicht erfolgreich, versucht er „hintenherum” über die Technik zu agieren.
- Falscher Verhandlungsaufbau: Statt selbst die Initiative zu übernehmen, wird sie dem Lieferanten überlassen.
- Wenig Marktwissen: Alternativlieferanten könnten geschickt in die Verhandlung eingespielt werden, sind jedoch nicht bekannt.
II. Aufbau einer idealen Verhandlung
Schritt 1: Die Vorbereitung
Zuerst ist an die letzten Verhandlungsgespräche mit dem Lieferanten zurückzudenken. Von wem wurden die Gespräche geführt und was wurde erreicht? Wurden diese Gespräche von dem Einkäufer allein geführt, ist diesmal Verstärkung mitzubringen. Es ist wichtig, den Lieferanten in allen Bereichen Veränderung zu bieten. Er erwartet ein bestimmtes Raster, auf welches er in seiner Gesprächsführung vorbereitet ist. Ist dieses nicht mehr intakt, gewinnt der Einkauf Überhand.
Idealerweise überzeugt der Einkäufer einen Techniker, ihn bei dem Gespräch zu begleiten. Allerdings ist dieser vorher auf die Verhandlungsstrategie einzuschwören. Es wäre sehr destruktiv, wenn der Lieferant im Techniker seinen Verbündeten findet und diese nun gemeinsam gegen den Einkäufer argumentieren. Dem Techniker ist darzustellen, dass es nicht das Ziel ist, den Lieferanten auszutauschen, sondern ihm vielmehr das Gefühl zu geben, dass es möglich wäre.
Schritt 2: Die Gesprächseröffnung
Die Gesprächseröffnung sollte in der Hand des Einkäufers und nicht des Lieferanten liegen. Jedes Gespräch sollte mit einer Agenda eingeleitet und mit einem kurzen Protokoll abgeschlossen werden. Eine Agenda könnte sein:
1. Umsatzentwicklung des Unternehmens,
2. Lieferantenbeziehung,
3. Alternative Lieferanten bzw. technische Veränderungen,
4. Preisdruck,
5. Optimierungsvorschläge.
Umsatzentwicklung: Hier ist die Entwicklung des eigenen Unternehmens darzustellen. Nimmt der Umsatz zu, kann der Einkäufer mit steigenden Abnahmemengen locken; umgekehrt sollte der Zwang zum Sparen erwähnt werden. Häufig sind Lieferanten nur bedingt über die Produkte und die Geschäftsentwicklung ihrer Kunden informiert.
Lieferantenbeziehung: Hier kann man gerne die gute Beziehung mit dem Lieferanten loben, allerdings auch bewusst negative Punkte anbringen. Wird zu jedem Lieferanten eine kontinuierliche Historie geführt, findet sich hier immer etwas: Die verspätete Lieferung am 12.10., die fehlerhafte Beschriftung eines Kartons oder die nicht angekündigte Urlaubsvertretung von Frau Baumann. Diese Punkte sind nun übertrieben darzustellen, um dem Lieferanten etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Schritt 3: Rahmenbedingungen
Der Lieferant ist über eigene Aktivitäten zum Aufbau neuer Lieferanten zu informieren. Wenn man an dieser Stelle noch den einen oder anderen Lieferanten in China, Mexiko oder der Türkei erwähnt, wird die Geschichte glaubhaft. An dieser Stelle sollte der Techniker nicken und bestätigen, dass er von den ersten Testmaterialien überrascht war. Dieser könnte zudem darstellen, dass sich durch kleine Veränderungen am Produkt eine Standardisierung des Einsatzprodukts erzielen ließe.
Schritt 4: Preisforderung
Nun ist die Vorlage für eine eigene Preisforderung gelegt. Aufgrund der deutlich günstigeren Preise der alternativen Lieferanten, bittet der Einkäufer den Bestandslieferanten, das aktuelle Preisniveau zu überdenken. Es sollte auch gleich eine Forderung in den Raum gestellt werden, z. B. mindestens 10 % Preisreduktion. Als „Gegenleistung” kann der Einkäufer anbieten, dass man auch bereit sei, den Prozess, die Logistik oder die Produktzusammensetzung zu überdenken.
Schritt 5: Gegenvorschlag
Die Lieferanten müssen nun entsprechende Vorschläge machen. Der Lieferant muss das Gefühl bekommen, dass er nicht bloß ein Lieferant, sondern ein Wertschöpfungspartner ist. Häufig können Lieferanten viele Veränderungsvorschläge darstellen, wenn sie nur dazu animiert werden. Nicht umsonst schafft es die Automobilindustrie trotz steigender Rohstoffpreise, das Preisniveau stabil zu halten oder sogar zu reduzieren. Preisdruck erzeugt Innovation.
Schritt 6: Verhandeln
Ein Kompromissvorschlag könnte sein, dass der Lieferant eine kleine unmittelbare Preisreduktion vornimmt und zusätzlich Vorschläge unterbreitet, wie das Preisniveau mittelfristig weiter reduziert werden kann. Mit Abschluss der Verhandlung sollte dem Lieferanten unbedingt die Produktion gezeigt werden. Häufig lassen sich Produkte so modifizieren, dass Arbeitsschritte in der Produktion wegfallen.
Schritt 7: Hausaufgaben
Nach etwa einer Woche wird sich der Lieferant wieder melden und einen Preis-reduktionsvorschlag unterbreiten, sofern es sich bei dem Unternehmen nicht um einen absoluten Monopolisten handelt. Allerdings sollte sich der Einkäufer mit diesem Erfolg noch nicht zufrieden geben, sondern noch einmal auf den Lieferanten zugehen. An dieser Stelle lassen sich weitere kleine Effekte erzielen, z. B. Jahresbonus, verbesserte Zahlungskonditionen oder häufigere Lieferungen.
Ergebnis
Während der Einkäufer im Ausgangsbeispiel noch eine Preiserhöhung von 2 % hin-nehmen musste (vgl. Abschnitt I), konnte der Einkäufer mit der beschriebenen Vorgehensweise eine Preisreduktion um 4 % aushandeln. Gelingt es dem Einkauf auch die mittelfristigen Reduktionsmöglichkeiten im eigenen Unternehmen „durchzuboxen”, sind die Einsparpotenziale noch wesentlich größer. Erfahrungsgemäß ist hier jedoch Nachdruck erforderlich, da die Technik ebenfalls überarbeitet ist und i. d. R. nur wenig Risiko durch Produktveränderungen eingehen möchte.
Fazit
Die beschriebene Vorgehensweise lässt sich bei den meisten Lieferanten anwenden. Wichtig ist, sich gut auf die Gespräche vorzubereiten, die Gesprächsführung zu über-nehmen, sich nicht durch technische Details isolieren zu lassen und Lieferanten für zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten mit in die Pflicht zu nehmen. Somit lassen sich schnell 4 % bis 5 % auf das gesamte Beschaffungsvolumen einsparen. Für viele Unter-nehmen würde dies bereits eine Verdopplung der Umsatzrendite bedeuten.
Kommentarbereich geschlossen.