EU-Abgeordnete versuchen Abkehr von Brexit

Autor: Marcus Schilling
Datum: 15.01.2019

Über hundert EU-Abgeordnete haben laut verschiedenen Medien einen offenen Brief an die Briten geschrieben, um den Brexit zu verhindern. Im dem Dokument appellieren sie an Großbritannien, den EU-Austritt abzusagen. Gleichzeitig warnen deutsche Wirtschaftsvertreter für die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland im Falle eines ungeregelten Brexits.

Zusicherung von Unterstützung

„Wir bitten darum, im Interesse der nächsten Generation den Austritt zu überdenken“, so ein Entwurf des Schreibens, das am Wochenanfang in Großbritannien verbreitet werden soll. Dies berichtet die Funke Mediengruppe. Weiterhin versichern die Abgeordneten ihre Unterstützung: „Jede britische Entscheidung, in der EU zu bleiben, würde von uns sehr begrüßt und wir würden mit Ihnen zusammenarbeiten, um die Europäische Union zu reformieren und zu verbessern.“

Weiter heißt es, die Abgeordneten haben „enormen Einfluss der britischen Politiker und Bürger in den vergangenen 40 Jahren sehr geschätzt. Wir würden das außergewöhnliche Know-how unserer britischen Kollegen vermissen.“ Einer der Abgeordneten und Mitverfasser Peter Liese (CDU) erläuterte gegenüber der Funke Mediengruppe „Wir wollen ein Zeichen an die Bevölkerung und damit auch an das Unterhaus senden und klar machen: Wenn die Briten sich entscheiden zu bleiben, sind sie herzlich willkommen.“

Falls der Brexit abgesagt werde, müssten einige „Kleinigkeiten“ laut Liese geändert werden. Dies sei aber gegenüber dem „riesigen Schaden“, der bei einem Brexit und insbesondere bei einem ungeregelten Austritt entstehe, zu verkraften.

Dienstag Abstimmung über Brexit

Am kommenden Dienstag wird das britische Parlament über das Brexit-Abkommen zwischen London und Brüssel abstimmen. Eine Ablehnung wird als sehr wahrscheinlich eingeschätzt. Die britische Premierministerin Theresa May warnte vor einem ungeregelten Brexit mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Oder es gebe gar keinen EU-Austritt.

Weiterhin prognostiziert sie einen Stopp des EU-Austritts. Ein Ausstieg ohne Deal sei eher unwahrscheinlich. Dies zitierte die britische Nachrichtenagentur PA am Montagmorgen aus einem Redemanuskript von May.

EU erwartet Verschiebung des Brexits

Laut Medienberichten bereitet sich die EU auf eine Verschiebung des Brexits vor. Der britische „Guardian“ berichtete in seiner Online-Ausgabe von einer Aussage hoher EU-Beamter, wonach Brüssel nicht damit rechne, dass die Frist eingehalten werden könne. Die Ursache dafür liege in dem starken nationalen Widerstand gegen das Brexit-Abkommen, mit dem sich die Premierministerin befasse.

Weiterhin wird geschätzt, dass London in den kommenden Wochen eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 der EU-Verträge beantrage. Eine erste Verlängerung bis Juli wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung und würde der Premierministerin mehr Zeit geben, das aktuelle Abkommen zu überarbeiten und bestätigen zu lassen. Falls May dem Parlament mitteile, sie brauche mehr Zeit, werde ihr der Aufschub bis Juli gewährt, so das Blatt auf Berufung der Aussage eines EU-Beamten.

Vorbereitung auf ungeregelten Brexit

Im Falle eines ungeregelten Austritts könnte die deutsche Wirtschaft hart getroffen werden. Deutsche Wirtschaftsvertreter warnten: „In Deutschland hängen ungefähr 750.000 Arbeitsplätze vom Handel mit Großbritannien ab. Ohne Deal würden zusätzlich Millionen an Zollanmeldungen und Milliarden an Zöllen fällig“, so Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, gegenüber der Funke Mediengruppe. Auch Produktionsabläufe und Lieferketten würden unterbrochen werden.

Daher rät Schweitzer, Großbritannien müsse sich auf einen chaotischen Brexit vorbereiten. Dazu seien beispielsweise Regelungen zu Flugverbindungen oder Lizenzen im Güterkraftverkehr sinnvoll.

Auch der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann, zeigt sich besorgt: „Scheitert der Deal, wären die Auswirkungen auf beiden Seiten, sowohl in Großbritannien als auch in Europa und da insbesondere Deutschland, massiv. Aufgrund der knappen Zeit bis zum Stichtag wird ohnehin viel Chaos entstehen, das auch den Handel stark betrifft.“