Hitzewelle stellt erneuerbare Energien vor Problem

Autor: Osman Cetinkaya
Datum: 17.08.2018

Auch Atom- und Kohlekraftwerke von Hitze betroffen

Es gibt wohl niemanden der sich in den vergangenen Wochen so sehr über die Hitzewelle gefreut hat wie die Betreiber von Solaranlagen. Über Wochen hinweg schien die Sonne deutschlandweit über 300 Stunden. Die Temperaturen erreichten Spitzenwerte von über 39 Grad.

Nur im Juli produzierten die deutschen Photovoltaikanlagen mehr als sechs Milliarden Kilowattstunden Strom – mehr als jemals zuvor innerhalb eines Monats gemessen wurde. Mit dieser Menge könnte man ganz Hamburg für ein Jahr lang mit Strom versorgen.

Die Windmüller hingegen sind enttäuscht. Ähnlich wie die Bauern leiden auch sie unter dem heißen Sommer. Die insgesamt 30.000 Windräder drehten sich während der Hitze lediglich mit gedrosselter Leistung oder standen komplett still. Insgesamt haben die Windräder ein Potential von 58.000 Megawatt, von dem am 24. Juli nicht einmal 1300 Megawatt ausgelastet waren. Das ist nicht viel mehr als die Leistung eines einzelnen Kernkraftwerkes.

„Für viel Windstrom braucht man viel Wind. Und der geht eher mit Wetterwechseln einher“, erklärt Christoph Podewils von der Denkfabrik Agora Energiewende. Durch das stabile Hochdruckgebiet in Nordeuropa kam es nahezu zu keiner Auslastung der Windparks.

Generell lässt sich sagen, dass die gewonnene Energie hier im Sommer standardmäßig geringer ist. Insgesamt wurden im Juli 4,4 Milliarden Kilowattstunden Windstrom produziert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 20 Prozent. „Da kann man zeitweise schon von einer Flaute sprechen“, so Robin Girmes, Wetterexpertevon der Agentur Energy Weather.

Für die Energiebranche stellt die Unberechenbarkeit des Wetters ein echtes Problem dar. Zwar werden immer mehr Windräder und Solardächer errichtet, die an Tagen mit gutem Wetter, viel Sonne und Wind beinahe alleine die gesamte Stromnachfrage decken. Doch sobald sich der Himmel zuzieht, geht auch die Leistung der Solaranlagen deutlich herunter. Das Gleiche gilt bei Windstille für die Windräder.

„Seit einigen Wochen reden alle über das Wetter. Wir auch. Weil der heiße und trockene Sommer die Stromerzeugung in Deutschland und Europa beeinflusst“, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Für ihn ist die Hitzeperiode das perfekte Argument dafür, dass Deutschland nicht einzig und allein auf erneuerbare Energien setzen dürfe. „Dieser ungewöhnliche Sommer belegt, wie wichtig ein breiter Energiemix ist, in dem jede Erzeugungsart ihre Stärke ausspielen kann“, sagt Schmitz.

RWE als der größte deutsche Stromproduzent, gewinnt seine Energie ausschließlich über konventionelle Kraftwerke, sprich auf Basis von Atomenergie, Gas und Kohle. Vor allem durch den Abbau von Braunkohle hat das Unternehmen häufig mit Kritik zu kämpfen.

Doch RWE betriebt nicht bloß Braunkohlekraftwerke. Das Unternehmen unterstützt zudem den Energieträger, durch dessen enormen Strombedarf enorme Mengen an klimaschädlichen CO2 anfallen, besonders auch im rheinischen Braunkohlerevier.

Laut Schmitz war die Braunkohle in den letzten Wochen eine Art Versicherung für die Versorgung mit Energie: „Da Braunkohlekraftwerke mit dem konstant temperierten Grubenwasser der Tagebaue gekühlt werden, konnten sie auch in diesem heißen Sommer zuverlässig ihren Dienst verrichten.“

Doch auch auf die “normalen“ Kraftwerke konnte man sich bei dem heißen Wetter nicht voll und ganz verlassen. Der Wirkungsgrad der Gaskraftwerke, also der Prozentsatz mit dem der Brennstoff in Strom umgewandelt wird, ging zurück. Und auch ein paar Steinkohle- und Kernkraftwerke mussten ihre Leistungen aufgrund tiefer Wasserstände herunterfahren. Zudem war das Kühlwasser, welches aus den naheliegenden Flüssen gewonnen wird, zu warm um die Werke damit tatsächlich zu kühlen.

Sogar die Solarenergie, für die das Wetter theoretisch ideal war, ist an ihre Grenzen gestoßen. Das liegt daran, dass der Wirkungsgrad der Solarmodule mit dem Anstieg der Temperatur abnimmt. So lag der Leistungsstärkste Tag der Sonnenenergie, trotz der übermäßigen Sonnenstunden im Juli, im Mai. Damals erzeugten die Module bei Sonnenschein und einer Temperatur von 23 Grad Strom mit einer Leistung von 32.000 Megawatt. Am 31. Juli, dem heißesten Tag des Jahres, waren es bei einer Temperatur von 39 Grad jedoch „nur“ 27.000 Megawatt. „Je wärmer das Modul wird, desto weniger Strom erzeugt es“, erklärt Wetterexperte Grimes. In einem heißen Sommer wie diesem, liege die Leistung daher rund fünf Prozent unter dem Durchschnittswert.

Argumente dieser Art kommen für Schmitz und die Chefs der anderen konventionellen Energiekonzerne gerade richtig. Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat in Berlin nun ihre Arbeit aufgenommen. Im Auftrag der Bundesregierung soll diese nämlich den Ausstieg aus der Kohleförderung beschließen. Für RWE-Chef Schmitz ist es hierbei jedoch sehr wichtig, dass dieser Schritt nicht einfach unüberlegt gegangen wird. „So ein Prozess braucht nicht nur Geld und Erfahrung“, sagte er, „er braucht vor allem Zeit“.

Für die Kohlegegner findet der Ausstieg jedoch lieber gestern als heute statt. Erst am Samstag kam es vor dem RWE-Tagebau Garzweiler wieder zu Protesten durch Aktivisten. Bis zum 22. August soll darüber diskutiert werden, wie die Zukunft der Region nach einem Braunkohleausstieg aussehen wird. Rund 100 Teilnehmer werden erwartet.

Und auch für die Vertreter der Erneuerbaren-Energie-Branche kommt ein Stopp der Energiewende aufgrund von Wetterphänomenen nicht in Frage. Für den Sprecher des Bundesverbandes für Windenergie, Wolfram Axthelm, sind die Energierückgänge durch die Hitzeperiode auf keinen Fall ein Beweis dafür, dass Kohlekraftwerke erhalten bleiben müssen.

„Während Kohle und Atom wegen fehlendem oder zu warmen Kühlwasser immer weniger Strom liefern können, haben Sonne und Wind regelmäßig mit einer Produktion von durchgehend mindestens 20.000 Megawatt geliefert und damit ein Drittel des Bedarfs gedeckt.“ Doch der Anteil der erneuerbaren Energien muss sich trotzdem noch weiter erhöhen, damit er wirklich den gesamten Bedarf abdecken kann. Dazu müsste die Zahl der Wind- und Solaranlagen noch weiter ausgebaut werden. „Die Politik muss den Stillstand beenden. Sie muss den Weg frei machen, damit die bis 2022 wegfallende Energie aus Atom sauber durch Sonne und Wind ersetzt werden kann“, forderte Axthelm. Erst kürzlich mussten Baumaßnahmen zum Zweck der erneuerbaren Energien verlangsamt werden, da der Staat die Fördergelder gekürzt hatte.

Doch weder Einspeisevergütungen noch Dunkelflauten oder Hitzewellen können den Anstieg des Anteils an erneuerbaren Energien stoppen. Zwar scheinen die Windräder in letzter Zeit nur schwach zum Energiehaushalt beigetragen zu haben, doch die Solarenergie gleicht die Bilanz durch die Unmengen an Sonnenstunden locker wieder aus. Denn trotz der fehlenden Wind-Energie stieg die gesamte Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen im Juli um zwei Prozent an und machte damit im ersten Halbjahr 2018 schon rund 36 Prozent aus, was bedeutet, dass Wind-, Solar-, Wasser- und Biomasseanlagen es erstmalig geschafft haben mehr Strom zu produzieren als Braun- und Steinkohlekraftwerke.