Bitkom-Studie: Industrie 4.0 ist in den deutschen Fabriken angekommen
Autor: Duran Sarikaya
Datum: 27.04.2016
Für 12 % ist Industrie 4.0 kein Thema
Bitkom weist im Vorfeld der diesjährigen Hannover Messe in einer repräsentativen Untersuchung auf, Industrie 4.0 ist in den deutschen Fabriken angekommen. Roboter steuern beispielsweise die Fertigung, 3D-Drucker produzieren Modelle und Produkte kommunizieren mit Maschinen. Dies sind die Zeichen der Industrie 4.0. Aufgrund dessen untersuchte die Bitkom neben der strategischen Ausrichtung auch Erwartungen und Auswirkungen der Industrie 4.0. Allerdings halten sich Unternehmen bei der Investition in die innovative digitale Technologie für die vernetzte Produktion immer noch zurück, so das grundlegende Ergebnis der unter 559 befragten Industrieunternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 100.Nahezu jedes zweite Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (46 %) nutzt Industrie-4.0-Anwendungen und weitere 19 % haben konkrete Absichten. Demzufolge sind fast zwei Drittel der deutschen Industrieunternehmen bereits im Bereich Industrie 4.0 aktiv. Rund 23 % der Befragten haben noch keine konkreten Pläne für den Einsatz von Industrie 4.0, können sich aber entsprechende Anwendungen vorstellen zu nutzen. Lediglich 12 % geben zu, Industrie 4.0 ist oder wird kein Thema für sie sein. „Die vierte industrielle Revolution ist in der Werkhalle angekommen“, so das Bitkom-Präsidiumsmitglied, Frank Riemensperger.
Die Anwender und Planer erwarten durch Industrie 4.0 laut der Untersuchung vor allem ihre Prozesse zu optimieren (69 %) und die Kapazitätsauslastung in ihrer Fabrik zu verbessern (57 %). Eine schnellere Umsetzung von individuellen Kundenwünschen erhoffen sich rund die Hälfte der Befragten. Neben einer Senkung der Produktionskosten (44 %) wollen die Nutzer auch ihre Personalkosten senken (19 %). Durch Industrie 4.0 erwarten sich die befragten Unternehmen zudem eine bessere Planung von Wartungsfenstern (17 %), Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen oder bereits bestehende Modelle zu verändern (14 %) und am wenigsten zielen sie auf eine neue Kundengruppe ab (13 %). „Industrie 4.0 zahlt unter anderem auf die klassischen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens ein: mehr Effizienz und Produktivität. Es geht gleichermaßen darum, Bestehendes zu verbessern und Neues zu schaffen“, erklärt Riemensperger. „Insbesondere neue ‚As a Service‘-Geschäftsmodelle, in denen die Produkte nicht mehr verkauft, sondern die Nutzung nach Verbrauchseinheiten abgerechnet wird, erfordern es, die bewährten Geschäftsmodelle zu hinterfragen und möglicherweise grundsätzlich zu verändern.“
Die Bitkom-Untersuchung zeigte ebenfalls auf, dass nahezu alle Unternehmen (97 %) bei der Umsetzung der Industrie 4.0 strategisch vorgehen, allerdings reicht der Ansatz unterschiedlich weit. Die Mehrheit, rund 59 % der Befragten, habe eine Strategie für das Gesamtunternehmen entwickelt, wohingegen 38 % die Strategie nur für einzelne Bereiche des Unternehmens anwenden. „Das Ausprobieren in Teilbereichen ist ein guter Anfang. Das volle Potenzial entfaltet sich aber erst, wenn alle Bereiche konsequent digitalisiert werden. Die beste digitale Vernetzung in der Fertigung nützt wenig, wenn Lieferketten und Kundenbindungsprogramme mit den neuen digitalen Fertigkeiten und der damit verbundenen Agilität nicht mithalten können. Mittelfristig braucht es deshalb einen integrativen Ansatz, der Lieferanten, Partner und Kunden in die eigene digitale Strategie mit einbindet“, begründet Riemensperger.
Gerade für firmenübergreifende Kooperationen ist es wichtig, über den eigenen Tellerrand zu schauen und verstärkt externe Experten einzubeziehen. Größtenteils werden Industrie-4.0-Strategien derzeit mit internen Mitarbeitern wie etwa dem Produktionsleiter entwickelt, wie 91 % der Befragten zustimmten. Allerdings haben auch 39 % externe Berater herangezogen, beispielsweise von Unternehmensberatungen oder Industrie- und Handelskammern. Ein knappes Viertel (28 %) haben ihre Strategie in Kooperation mit mittelständischen oder großen Unternehmen aus der Digitalbranche gemeinsam entwickelt. 11 % haben sich dafür sogar mit Wettbewerbern zusammengeschlossen und 8 % mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Nur 6 % haben Start-ups in den Strategieprozess miteinbezogen. „Wenn es darum geht, neue datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln, braucht man neben erfahrenen eigenen Mitarbeitern auch Leute, die aus den gewohnten Denkmustern ausbrechen und frische Ideen einbringen. Start-ups, Service-Partner und oft auch die eigenen Kunden liefern hier meist kreative Impulse.“
Als allergrößte Hürde bei der Einführung von Industrie 4.0 innerhalb ihres Unternehmens sehen die Befragten den dafür benötigten Mitteleinsatz. Drei Viertel der Befragten geben zu, dass hohe Investitionskosten den Einsatz hemmen und somit unterbinden. Allerdings erwähnen auch 55 % die Anforderungen an den Datenschutz und 51 % an die Datensicherheit ebenfalls zu den Hemmnissen. Bei 53 % wird der Mangel an Fachkräften als Problem benannt. Dem ordnen sich Hemmnisse wie Komplexität des Themas (50 %), fehlender Rechtsrahmen (40 %), Befürchtungen der Störanfälligkeit der Systeme (38 %) als auch fehlende Standards (36 %) unter.
Allerdings birgt Industrie 4.0 auch enorme Auswirkungen auf die Arbeit innerhalb der vernetzten Fabrik. So haben rund 11 % der Unternehmen die Industrie 4.0 bereits einsetzen oder planen einzusetzen auch neue Mitarbeiter für diesen Bereich eingestellt, 15 % planen diese in dieses Jahr. Die gefragteste Tätigkeit ist laut der Umfrage die des Datenanalysten (36 %). Daraufhin folgen IT-Sicherheitsexperten (21 %), Software-Entwickler bzw. Programmierer (17 %), IT-Service Manager (15 %), Systemarchitekten (13 %) und Qualitätsmanager/Tester (10 %). Trotz der dauerhaften Diskussion des anhaltenden Fachkräftemangels, wollen 51 % der Unternehmen seine Mitarbeiter in diesem Jahr fortbilden lassen. Entlassungen kommen dabei infolge der Industrie 4.0 kaum in Frage. Lediglich 6 % haben angegeben letztes Jahr Stellen abgebaut zu haben, dieses Jahr sollen es rund 7 % sein. „Industrie 4.0 verbannt den Menschen nicht aus den Werkhallen. Allerdings wandeln sich die Berufsbilder. Der Umgang mit den neuen digitalen Technologien muss geübt werden, und es braucht in der Regel auch neue Mitarbeiter mit guten Fähigkeiten im Umgang mit Industrial IT “, erklärt Riemensperger.
Zum Abschluss weißt die Studie weist auf, dass Unternehmen im Bereich der Investition immer noch vorsichtig agieren. So haben 57 % der befragten Unternehmen, die bereits Industrie 4.0 nutzen oder dies planen, in diesem Jahr Gelder dafür beiseitegelegt. Dabei mache das Investitionsbudget im Schnitt nur 4 % des Gesamtumsatzes aus. „Digitale Marktführerschaft gibt es nicht zum Spartarif. Wer auch künftig noch erfolgreich sein will, muss jetzt in die Digitalisierung investieren“, Riemensperger weiter.
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