Deloitte-Studie: Industrie 4.0 verläuft schleppend im Mittelstand
Autor: Ralf Windmüller
Datum: 23.03.2016
Industrie 4.0 findet kaum strategische Beachtung
„Industrie 4.0 im Mittelstand“ lautet der Studienname der aktuellen Deloitte Umfrage und hält fest, rund 70 % der Teilnehmer investieren bis zu 5 Millionen Euro in Industrie 4.0-Projekte. Ein weiteres Viertel aller mittelständischen Unternehmen investieren zwischen 5 und 10 Millionen Euro. Dadurch erwartet sich der Mittelstand eine zusätzliche Wertschöpfung, hat dafür allerdings Industrie 4.0 größtenteils noch nicht strategisch eingeführt. Nahezu 80 % der Teilnehmer ordnen dieses Thema zwar theoretisch in der Unternehmensstrategie zu, beschäftigen sich aber eher mit Prozessen und Technologien. Für die Zukunft möchte grundsätzlich die Mehrheit aller Unternehmen sich stärker mit dem Thema Industrie 4.0 auseinandersetzte. So die grundlegenden Ergebnisse.„Effizienzgewinne von jährlich etwa 3 bis 8 Prozent, die sich die mittelständischen Unternehmen von Industrie 4.0 versprechen, wirken vergleichsweise bescheiden. Das lässt den Schluss zu, dass aus Sicht der Mittelständler weniger eine Revolution als vielmehr eine stufenweise Evolution im Gang ist. Um sämtliche Potenziale zu erschließen und das Thema strategisch zu nutzen, müsste der Mittelstand aber um die 10 Prozentpunkte mehr investieren“, erläutert Lutz Meyer, Leiter und Partner Mittelstand bei Deloitte.
Die Studie zeigt weiterhin auf, dass in einem Zeitraum von 12 Monaten bei etwa der Hälfte der Unternehmen ein Industrie 4.0-Projekt durchgeführt worden ist. Beispielsweise wurde angegeben, dass Unternehmen ihre Prozesse optimiert oder automatisiert haben, Systeme vernetzt wurden als auch eine Implementierung neuer Technologien erfolgte. Allerdings wurden deutlich weniger Aktivitäten aus strategischer Hinsicht getätigt. Lediglich 23 % besitzen eine explizite Strategie. 77 % der Befragten beurteilen dennoch Industrie 4.0 als strategisches Thema und somit zum Aufgabengebiet der Führungskräfte aus Vertrieb und Produktion gehöre. Allerdings sind CFO und CEO viel zu selten unmittelbar mit eingebunden. Laut Expertenmeinung schätzt die Mehrheit auch den Horizont ihrer Projekte mit bis zu drei Jahren wesentlich zu kurz ein.
Industrie 4.0 ist innerhalb des deutschen Mittelstandes allerdings (noch) kein Hidden Champion und mit 44 % der Befragten ordnen der Thematik eher weniger Bedeutung zu. Allerdings wollen sich 76 % der Teilnehmer künftig mit dem Thema stärker auseinandersetzen. Rund 29 % fühlen sich bereits gut vorbereitet, bei einem Viertel ist dies genau der gegensätzliche Fall. Technologische Veränderungen sowie entsprechende Markt- und Kundenbedürfnisse sind dabei als wichtigster Treiber für die weitere Entwicklung verantwortlich. Auch die Wettbewerbssituation nehme eine wichtige Rolle ein.
Industrie 4.0 zieht neue, oft disruptive Geschäftsmodelle nach sich. Dies ist jedoch kaum beim Mittelstand erkennbar. Ein knappes Drittel plant durch Digitalisierung mit einer Änderung seines Modells, dagegen wollen 42 % keine Veränderungen vornehmen. Dabei werden eher ergänzende Modelle wie etwa eine neu konzipierte Endkundenkommunikation in Erwägung gezogen. Eine substanzielle Veränderung des Geschäftsmodells scheint für die Mehrheit der Mittelständler nicht in Sichtweite.
Die Untersuchung weist weiterhin auf, dass 28 % bereits sehr stark vernetzt sind. Dem gegenüber stehen insgesamt 29 % keine Vernetzung der Produkte. Im Hinblick auf Lieferanten und Kunden ergibt sich ein ähnliches Bild. Diesbezüglich zeigt die Studie auf, dass Unternehmen derzeit eher an einer besseren Auswertung vorhandener Daten interessiert sind, als auf die Generierung neuer. Die Fähigkeit, Big-Data-Analysen durchzuführen, wird zwar übereinstimmend als wichtig beurteilt, allerdings sind die vorhandenen Kompetenzen noch stark ausbaufähig.
„Zwei Drittel der Befragten beurteilen Industrie 4.0 als ausgesprochen erfolgskritisch – aber nur die Hälfte evaluiert die eigenen Projekte. Wenn der Mittelstand die Chancen von Industrie 4.0 adäquat nutzen will, muss er das Thema jetzt zur Chefsache machen, die Digitalisierung unternehmensweit in Angriff nehmen und sämtliche Aktivitäten aufeinander abstimmen. Es gilt, den richtigen Weg zwischen Aktionismus und kaufmännischer Vorsicht zu finden. Die entsprechenden Aktivitäten sollten also realistisch geplant und der Projekterfolg genau ermittelt werden“, fasst Meyer zusammen.
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