Studie: Einsparpotenzial in Automobilbranche

Autor: Mario Schmidtgen
Datum: 04.07.2019

Kostenoptimierung durch verdeckte Kostentreiber

Laut der neuen Studie „Supply Chain Management in Industrieunternehmen“ der Beratungsgesellschaft Emporias verbirgt sich in der Automobilindustrie enormes Einsparpotenzial. Obwohl die Branche verglichen zu anderen Industriezweigen hohe Ausgaben in die Digitalisierung der Lieferkette steckt, ist die genaue Höhe der Kosten den meisten Unternehmen unklar.

Die häufigste Ursache sind Probleme bei der Datenqualität und -verarbeitung. Weiterhin ist die Automobilbranche von großen, weit verzweigten Lieferantennetzwerken geprägt. Zudem verfügt sie über eine vielfältige Auswahl an Produktvarianten, wodurch die ohnehin steigenden Transportkosten weiter nach oben gedrückt werden.

Diese Kosten könnten laut der Mehrheit der Teilnehmer durch die Optimierung der Lieferkette eingespart werden. Jeder Zehnte schätzt das Einsparpotenzial als sehr hoch und 35 Prozent als hoch ein. Jedoch gibt es mehrere Faktoren, die die Unternehmen daran hindern, dieses Potenzial wahrzunehmen.

Fehlende Rechenmodelle

„Die Digitalisierung der Supply Chain ist kein Garant dafür, dass die Logistikkosten auch besser gesteuert werden. Unsere Studie zeigt, dass es gerade im Automotive-Bereich häufig bei der Datenverarbeitung hakt. Es fehlt an Rechenmodellen, die die Gesamtkosten der komplexen Lieferanten- und Transportsysteme inklusive ihrer Abhängigkeiten untereinander wirklich sichtbar und verrechenbar machen“, so Oliver Ohlen, Geschäftsführer von Emporias.

Neun von zehn Befragten aus dem Automobilsektor gaben an, nicht über vollständige und aktuelle logistische Stammdaten zu verfügen. Weitere drei Viertel antworteten, digital erfasste Daten werden nicht richtig verarbeitet und für Optimierungen genutzt. Dies betrifft insbesondere externe Daten von Lieferanten oder Dienstleistern.

Hinzukommt, dass die Mehrheit der Teilnehmer die im Controlling eingesetzten Systeme zur Abbildung der Supply Chain als ungeeignet ansieht. „Die in der Automobilbranche eingesetzten Datenverarbeitungsmodelle sind nicht schlechter als in anderen Industrien. Den Logistikentscheidern dieser Branche sind die Mängel aber stärker bewusst, da sie auch die Auswirkungen in besonderem Maß spüren“, erläutert Ohlen.

Marktveränderungen

Acht von zehn Managern der Automobilbranche können ihre Kostenstruktur der Supply Chain nicht schnell genug an die Marktveränderungen anpassen. Jedoch ist gerade die Flexibilität der Kostenstruktur in dieser Branche besonders wichtig – und das wichtigste Kriterium zur Optimierung der Supply Chain.

Durch komplexe Lieferanten- und Transportsysteme bleiben die wahren Kostentreiber oft unbewusst. Zudem bleiben die Zusammenhänge der Kosten oft unbeachtet. Daher treten Kosten, trotz Einsparung an einer Stelle der Lieferkette, an einer anderen Stelle erneut als Mehraufwand auf. Grund dafür ist Ohlen zufolge, dass Automobilunternehmen die Kosten nicht der Kostenstelle zurechnen, an der sie entstehen.

Ganzheitliche Kostenmodelle

An dieser Stelle sei ein ganzheitliches Kostenmodell unabdingbar: „Modernste Systeme und Tools zur Steuerung der Supply Chain helfen nicht, wenn ihnen kein valides Kostenmodell zugrunde liegt. Simulations- und Vorhersagefunktionen ergeben dann keine sinnvollen Ergebnisse“, erläutert Ohlen.

Laut der Studie können nur 30 Prozent der Unternehmen die Auswirkungen von Vertriebs- und Produktionsplänen auf zukünftige Supply-Chain-Kosten projizieren. Die Zahl der Teilnehmer, die ganzheitliche Kostenmodelle zur Steuerung der Lieferkette nutzen, liegt unter dem Branchendurchschnitt.

Um dem entgegenzuwirken, hat Emporias „neue Tools und Instrumente zur Umsetzung der Total Cost Philosophie entwickelt“. Diese wurden in der Praxis gemeinsam mit Kunden getestet und in Kooperation mit der TU München und einem Logistik-Expertenkreis erweitert.