Auswirkungen aktueller Rohstoff- und Energiepreisentwicklung

Autor: Dr. Stephan Hofstetter, Partner bei Kloepfel Consulting.

Das tiefere Marktpreisniveau und Einkaufspreise

In den letzten Monaten haben sich die Preise für Gas und Strom sowie für wichtige Rohmaterialien stark abgeschwächt. Die Preise sind allerdings insgesamt noch nicht da, wo sie vor Corona waren. Aber im Vergleich zu den enormen Spitzen im vergangenen Jahr sind sie deutlich moderater.

So herrscht derzeit eine hohe Erwartung an die kurzfristige Entwicklung der Einkaufspreise. Es scheint jetzt auf den ersten Blick eine vorteilhafte Ausgangssituation zu herrschen. Beim zweiten Blick droht allerdings eine gewisse Ernüchterung. Der tatsächliche Spielraum hängt stark von den Kontrakt- und Einkaufsstrategien der Lieferanten und Kunden ab sowie natürlich von der relativen Nachfrage- und Angebotsmacht.

Kontraktstrategien der Lieferanten

Es stellt sich die Frage, wie Lieferanten einkaufen, deren Inputkosten stark von Rohmaterialpreisen für Aluminium, Stahl oder Kupfer abhängen, die an einer Börse, etwa der LME, gehandelt werden.

Hersteller haben in der Regel mehrere Kontraktstrategien zur Auswahl. Die Auswahl der Strategie hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, vom Bedarfsvolumen und der Art des Produkts, das sie kaufen, und den spezifischen Risiken, die mit dem Einkauf verbunden sind.

Eine der typischen Kontraktstrategien für Rohstoffe wie Aluminium, Stahl oder Kupfer ist der Abschluss von Terminkontrakten an einer Börse wie der LME. Diese Kontrakte ermöglichen es Lieferanten, den Preis für ihre Rohstoffe im Voraus zu sichern und sich vor Preisvolatilität zu schützen. Wenn die Rohstoffpreise auf dem Markt steigen, sind die Lieferanten geschützt, da sie den vereinbarten Preis zahlen können, anstatt den höheren aktuellen Preis zu zahlen.

Hersteller können auch Optionen an einer Börse wie der LME kaufen, um ihre Position zu sichern. Eine Option gibt dem Käufer das Recht, eine bestimmte Menge eines Rohstoffs zu einem festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Diese Strategie ist flexibler als Terminkontrakte, da der Käufer das Recht hat, aber nicht die Verpflichtung, das Rohmaterial zu kaufen oder zu verkaufen.

Schließlich können die Lieferanten auch den Spotmarkt nutzen, um Rohstoffe zu kaufen. Auf dem Spotmarkt werden Rohstoffe ohne vorherige Festlegung des Preises gekauft und verkauft. Diese Strategie kann für kurzfristige Bedürfnisse sinnvoll sein, birgt jedoch auch ein höheres Preisrisiko.

Es ist wichtig zu beachten, dass jede Kontraktstrategie Vor- und Nachteile hat und die Auswahl der Strategie von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der Marktbedingungen, der Branche und den spezifischen Anforderungen des Unternehmens.

Eine grundsätzlich andere Kontraktstrategie ist der Abschluss von Lieferverträgen beispielsweise direkt mit einem Partner, der über eigene Stromwerke verfügt, und nicht wie in den vorgängigen Kontrakten über eine Börse. Diese Verträge können langfristige Liefer- und Abnahmeverträge sein, bei denen Menge, Leistung und Preis für die Energie für eine bestimmte Zeit festgelegt wird. Solche Verträge bieten Planungssicherheit und ermöglichen es, die Energiekosten besser zu kalkulieren.

Kontraktstrategien der Einkäufer

Die Einkäufer und ihre Lieferanten können schließlich für ihre Produkte einen Börsenkurs oder einen Index eines Rohstoffs- oder der Energie im Verhältnis der Kostenstruktur als Referenzpunkt für ihre Kontrakte verwenden. Über den „Indexpreis“ wird der Produktpreis gleitend mit dem Marktpreisniveau synchronisiert.

Ein Indexpreis kann beispielsweise auf Basis des Durchschnittspreises an der Börse oder auf Basis eines bestimmten Kontrakts an der Börse berechnet werden. Der Lieferant und der Einkäufer können zusätzlich einen festen Auf- oder Abschlag auf den Indexpreis vereinbaren, um den Preis auf das spezifische Produkt und die Lieferbedingungen anzupassen. In volatilen Phasen werden hohe Ausschläge etwa mit Energie- oder Frachtpreiszuschlägen auf die Kunden überwälzt.

Es gibt auch spezialisierte Anbieter, die Indexpreise für verschiedene Rohstoffe anbieten. Diese können als Referenzpunkt für Kontrakte zwischen Lieferanten und Einkäufern dienen. Die Anbieter verwenden häufig eine Methodik, die den aktuellen Preis an der Börse widerspiegelt und den Preis regelmäßig aktualisiert.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Verwendung eines Indexpreises für Kontrakte zwischen Lieferanten und Einkäufern Vor- und Nachteile hat. Einer der Vorteile ist, dass es eine transparente Preisgestaltung ermöglicht und Schwankungen des Marktpreises widerspiegelt. Allerdings kann es auch zu Problemen kommen, wenn der Indexpreis nicht genau den spezifischen Anforderungen des Einkäufers entspricht oder wenn es eine hohe Volatilität des Marktpreises gibt. Je nach Markteinschätzung des Einkäufers werden deshalb auch gerne feste Kontraktpreise auf Jahresbasis vereinbart.

Einkaufspreise

Aktuell schwächen sich die Marktpreise für Energie (Strom, Gas) und Rohmaterial stark ab, trotzdem werden diese Vorteile den Einkäufern nicht immer weitergegeben.

Es gibt mehrere Gründe, warum Lieferanten möglicherweise nicht in der Lage oder nicht bereit sind, die Vorteile der gesunkenen Marktpreise für Energie und Rohstoffe an ihre Einkäufer weiterzugeben. Einige mögliche Gründe sind:

  1. Laufende Kontrakte: Die Kontrakte wurden letztes Jahr zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu Preisen erneuert, die deutlich über dem aktuellen Preisniveau liegen. In solchen Fällen können Lieferanten gezwungen sein, weiterhin höhere Preise zu verlangen, auch wenn die Marktpreise gesunken sind.
  2. Langfristige Lieferverträge: Lieferanten können langfristige Lieferverträge mit festen Preisen haben, die noch immer auf einem tieferen Preisniveau als dem aktuellen liegen. In diesem Fall wurden die Preise 2022 nicht erhöht und können natürlich aktuell auch nicht weiter gesenkt werden.
  3. Lagerbestände: Wenn Lieferanten bereits eine große Menge an Rohstoffen zu einem höheren Preis gelagert haben, können sie gezwungen sein, weiterhin höhere Preise zu verlangen, um die ursprünglichen Einstandspreise abzudecken.
  4. Fehlende Transparenz: Sollten Kostenstrukturen nicht hinreichend transparent sein, so bleiben veränderte Rohmaterial- und Energiepreise reine Verhandlungssache. Wenn ein anerkannter Referenzpreisindex fehlt, so ist eine gleitende Anpassung ebenfalls schwierig. Fehlt die Bereitschaft beim Lieferanten, sich über die eigene Kontraktstrategien auszutauschen, so fällt es schwer zu beurteilen, ob eine Anpassung gerechtfertigt wäre.
  5. Angebot und Nachfrage: Auch wenn die Marktpreise für Rohstoffe oder Energie sinken, kann die Nachfrage hoch bleiben. Wenn die Lieferanten aufgrund von engen Kapazitäten, etwa bedingt durch den Krieg in der Ukraine, oder anderen Faktoren nicht in der Lage sind, die Nachfrage zu befriedigen, können sie weiterhin höhere Preise verlangen.
  6. Marktmacht: Lieferanten können in einigen Fällen eine starke Verhandlungsposition haben, die es ihnen ermöglicht, höhere Preise zu verlangen. Zum Beispiel, wenn es wenige Anbieter auf dem Markt gibt oder wenn der Lieferant eine starke Marke oder Reputation hat, können sie in der Lage sein, höhere Preise durchzusetzen.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Gründe sich nach Lieferanten unterscheiden und dass es weitere Faktoren geben kann, die das Verhalten der Lieferanten beeinflussen.

Empfehlung

Zu den jeweiligen Einkaufs- und Kontraktstrategien der Lieferanten und der Kunden können verschiedene Szenarien entwickelt werden. Dazu gehört eine genaue Analyse, die die Berater der Kloepfel Group vornehmen können. So wird ersichtlich, ob eine Reduktion der Einkaufspreise in der konkreten Marktsituation gerechtfertigt und mit guten Argumenten verhandelbar wäre.

Im Falle eines engen Spielraums sollten Einkäufer jetzt trotzdem aktiv werden. Dann können sie das aktuell abgeschwächte Preisniveau unter Umständen proaktiv für Verhandlungen für 2024 nutzen. Für den kommenden Winter besteht weiter eine hohe Unsicherheit, wie sich die Verfügbarkeit und Preise etwa für Energie entwickeln werden. Selbstredend sind die konkreten Umstände zu beurteilen.

Allgemein agieren derzeit alle Protagonisten innerhalb der Wertschöpfungsketten vorsichtig. Gleichzeitig haben die Partner in der Lieferkette spätestens während der Corona-Krise dazugelernt. In der Folge versuchen sie nun, sich nach Möglichkeit in der aktuellen Marktsituation abzusichern oder Risiken zu vermeiden.

Die Berater der Kloepfel Group können mit großer Expertise und viel Geschick Unterstützung bieten. Nach Analyse der Einkaufs- und Kontraktstrategie wird das weitere Vorgehen festgelegt. So können allenfalls verborgene Chancen schnell erkannt und ergriffen werden, um von den sinkenden Preisen an den Energie- und Rohstoffmärkten zu profitieren.

Sie vermuten, dass die aktuelle Rohstoff- und Energiepreiswende auch für Sie günstige Einkaufspreise ermöglicht? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Kontakt:

Kloepfel Group
Christopher Willson
Tel.: 0211 941 984 33 | Mail: rendite@kloepfel-consulting.com