SCOR-Modell: Der Alleskönner für die Supply Chain

Egal ob Kunde, Lieferant, Unterlieferant oder Spediteur. Das SCOR-Modell beleuchtet auch die dunkelsten Ecken der Supply Chain. Bei richtiger Anwendung lassen sich hohe Effizienz- und Kostenpotenziale realisieren.

Das Supply Chain Operations Reference Modell (SCOR-Modell) ist ein vom Supply Chain Council im Jahr 1996 entwickeltes Konzept für den Bereich Supply Chain Management. Mit dem Ziel, eine Basis für die Supply Chain Optimierung zu schaffen, erlaubt das SCOR-Modell eine präzise Darstellung der sechs primären Managementprozesse Planung, Beschaffung, Produktion, Lieferung, Rücklieferung und unterstützende Prozesse. Diese Prozesse umfassen jegliche Interaktion mit den eigenen Kunden und Lieferanten sowie deren Kunden und Lieferanten. Bewusst ausgelassen werden bei dem Modell unter anderem die Bereiche Marketing, Vertrieb und Forschung. Das Supply Chain Council verändert das Modell regelmäßig auf Basis der aktuellen Marktbedingungen und Anforderungen.

Grundlagen des Modells

Beim SCOR-Modell handelt es sich um ein hierarchisches Prozessmodell, welches auf drei branchenübergreifenden Ebenen basiert und bei einer Implementierung in der Praxis durch eine vierte, unternehmensindividuelle Ebene ergänzt werden muss.

Auf Ebene 1 werden die verschiedenen Prozesstypen der Supply Chain erfasst. Dazu gehören die bereits genannten primären Managementprozesse. Die Planung beinhaltet dabei Aktivitäten wie Informationsbeschaffung hinsichtlich der benötigten Ressourcen oder Kapazitätsplanung. So soll ein Plan zum Betrieb der Supply Chain aufgestellt werden. Die Beschaffung wickelt die Bestellung von Waren und Dienstleistungen ab, welche für die Wertschöpfungskette von Bedeutung sind. Auch die Lieferung und Lagerung dieser Waren fällt unter die Verantwortung der Beschaffung. Beschaffte Materialien werden dann von der Produktion verarbeitet und zu Produkten jeglicher Art umgewandelt. Daraufhin organisiert die Logistik alle Prozesse, welche mit der Belieferung von Kunden zusammenhängen. Im Zuge der Rücklieferung wird der zurückfließende Materialstrom gesteuert wird, vom Kunden bis hin zum Lieferanten. Schließlich bleiben die unterstützenden Prozesse, welche sich mit dem allgemeinen Management der Supply Chain befassen. Dazu gehören beispielsweise das Data- und Performancemanagement oder das Risikomanagement.

Die zweite Ebene des Prozessmodells richtet sich nach der vorherrschenden Prozesskategorie und legt damit auch die Betriebsstrategie fest. Hier entscheidet sich, ob innerhalb der Supply Chain über Make-to-Stock, Make-to-Order, Engineer-to-Order oder anderen Verfahren produziert wird.

Um schließlich die einzelnen Prozessschritte in der Supply Chain zu erfassen, dient die dritte Ebene. Sie beschäftigt sich weitestgehend mit der Umsetzung des auf den vorherigen Ebenen definierten Rahmenmodells. Beispielhafte Elemente der dritten Ebene sind operative Prozesse wie die Lieferplanung, die Autorisierung von Zahlungen oder die Qualitätsprüfung. Somit bilden die oberen drei Ebenen das Grundgerüst für die Bewertung der Supply Chain. Ergänzt werden sie nur noch durch die vierte Ebene, welche die branchen- und unternehmensspezifischen Besonderheiten einbezieht. Diese Ebene muss jedes Unternehmen bei der Optimierung seiner Supply Chain individuell berücksichtigen, denn die Anforderungen sind von Firma zu Firma unterschiedlich.

Auf einen Blick: Unsere Infografik

Die vier Module des SCOR-Modells

Zusätzlich zum hierarchischen Aufbau basiert das SCOR-Modell auf vier großen Themen-Blöcken:

  • Performance
  • Die Performance der Supply Chain wird anhand der fünf Attribute Verlässlichkeit, Schnelligkeit, Agilität, Kosten und Asset Management Efficiency gemessen. Jedes Attribut unterliegt verschiedenen Kennzahlen, beginnend mit Level-1-Kennzahlen wie dem Perfect Order Fulfillment, welches beispielsweise die Verlässlichkeit bestimmt. Dieser Kennzahl liegen wiederum weitere Level-2 und Level-3-Kennzahlen zu Grunde, zum Beispiel die Termintreue oder die Lieferflexibilität. So kann genau bestimmt werden, welche Kennzahlen optimiert werden müssen, um das finale Attribut zu erfüllen und somit die Performance zu verbessern.

  • Prozesse
  • Der Bereich „Prozesse“ bezieht sich auf das bereits vorgestellte Prozessmodell. Es gibt insgesamt vier Prozess-Level, welche jeweils aus Unter-Prozessen bestehen und die Supply Chain transparent gestalten.

  • Methoden
  • Das SCOR-Modell beinhaltet eine Sammlung branchenübergreifend wertvoller Methoden. Geprägt sind diese Methoden durch ihre Einzigartigkeit, welche sich im Modell anhand der Faktoren, wie Automatisierungsgrad oder technologischer Innovation, abzeichnet. Dabei unterscheidet SCOR hinsichtlich der Methoden zwischen vier Qualitätsstufen: Zukunftsmethoden, bereits bewährte Methoden, Standardmethoden und überholte Methoden.

  • Mitarbeiter
  • Für die Umsetzung der durch SCOR definierten Prozesse und Methoden benötigt es je nach Prozess verschiedene Fähigkeiten, über welche die Mitarbeiter verfügen müssen. SCOR ordnet diese Fähigkeiten, um eine fünfstufige Kompetenzhierarchie aufzustellen, beginnend mit den Anfängern, welche weder über Erfahrung noch Training verfügen und genaue Anweisungen benötigen. Dann folgen die Neulinge, welche zwar ihre Arbeit erledigen, jedoch nicht reflektieren und einordnen können. Auf Stufe drei stehen die Kompetenten, sie verstehen Zusammenhänge und priorisieren in ihrer Arbeit. Danach kommen die Erfahrenen, welche alle Aspekte der Arbeit im Blick haben und sich situationsbedingt anpassen können und zu guter Letzt die durch intuitives Verständnis und innovatives Denken ausgezeichneten Experten.

Diese vier Aspekte bilden das Grundgerüst und werden in einem knapp 1.000 Seiten langen Dokument detailliert ausgeführt. Sie sind sowohl in ihrer Funktion als einzelner Bestandteil des Modells als auch auf Basis ihrer Beziehung untereinander zu betrachten und zu bewerten.

Fazit

Das SCOR-Modell bietet insbesondere Unternehmen mit komplexen und vielseitigen Supply Chains eine gute Möglichkeit, ihre gesamte Prozesskette nicht nur zu steuern, sondern auch zu verbessern. Durch Einbezug aller beteiligten Parteien der Supply Chain, lassen sich Probleme auf jeder Prozessebene schnell erkennen und mit den richtigen Maßnahmen beseitigen. Um das Modell effektiv anwenden zu können, bedarf es jedoch einer sauberen Implementierung. So muss jeder Bereich des Modells individuell und unternehmensabhängig angewendet werden, um die besten Ergebnisse zu erzielen.