Alle Zeichen weisen auf Rezession hin

Autor: Duran Sarikaya
Datum: 14.08.2019

Deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal – Prognose für laufendes Quartal noch schlechter

Im zweiten Quartal des Jahres ist die exportabhängige deutsche Wirtschaft aufgrund von Handelskonflikten und der schwachen Weltkonjunktur zusammengeschrumpft. Insgesamt fiel das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni um 0,1 Prozent, verglichen mit dem Vorquartal. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Zu Beginn des Jahres verzeichnete die größte europäische Volkswirtschaft noch ein Wachstum von 0,4 Prozent. Experten gehen davon aus, dass der Grund für die negative Entwicklung vor allem an dem Rückgang der Exporte lag.

Von einer Rezession ist die Rede, wenn das Bruttoinlandsprodukt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zum Vorquartal zurückgeht. Aktuell ist davon auszugehen, dass es im jetzigen Quartal noch weiter schrumpfen wird. Das würde bedeuten, dass die deutsche Wirtschaft sich seit April in einer Rezession befinden würde. Zuletzt war dies zum Jahreswechsel 2012/13 der Fall. Mehrere Faktoren tragen zum Schrumpfen der deutschen Wirtschaft bei.

Sturzflug in Sachen Auftragslage und Geschäftsklima

Bis Ende des zweiten Quartals sind die Auftragseingänge in den Bereichen Industrie und Industrieproduktion stark zurückgegangen. Insgesamt war das Geschäftsklima sehr schlecht. Zudem gab es erstmalig ein so starkes Absinken wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Die Unternehmen stellen sich derweil auf eine Verschlechterung der Lage ein. Sogar die Dienstleistungsunternehmen haben aktuell mit Problemen ihrer Geschäftslage und ihrer Perspektive zu kämpfen. Das Signal der Rezession ist also ziemlich deutlich.

So reagieren Ökonomen auf das aktuelle BIP

„Der Rezessionsspuk wird realer. Aktuell ist die Wirtschaftsleistung zwar nur leicht geschrumpft, seit einem Jahr tritt sie aber bereits auf der Stelle. Handelsstreit, Brexit und zyklische Abschwächung haben wachstumsseitig aus dem einstigen Musterknaben ein Sorgenkind gemacht. Für das Sommerhalbjahr riecht es sehr nach einer technischen Rezession. Auch wegen der hohen Zollrisiken ist die Schwelle zur klassischen Rezession niedrig.“

„Mit den eskalierenden Handelskonflikten der USA, dem immer wahrscheinlicheren Chaos-Brexit und der schwächelnden Weltwirtschaft hat sich seit dem Sommer vergangenen Jahres der perfekte Sturm zusammengebraut. Erst hat die exportabhängige deutsche Volkswirtschaft dadurch zunehmend Schlagseite bekommen, nun droht sie in schwerer See ganz zu kentern. Nach der heute gemeldeten Schrumpfung um 0,1 Prozent im zweiten Quartal steht die Tür zumindest zu einer technischen Rezession – zwei negative Quartale in Folge – ganz weit offen.“

„Die immer noch robuste Entwicklung am Arbeitsmarkt bleibt zwar angesichts ihrer stabilisierenden Wirkung auf den privaten Konsum ein Stützpfeiler. Auch dessen Kraft scheint jedoch sukzessive nachzulassen, wie die Daten der zurückliegenden Monate andeuten. Geht man nach den Warnsignalen, welche fortlaufend seitens der Frühindikatoren ausgesandt werden, ist im dritten Quartal keine Besserung in Sicht und eine technische Rezession in Deutschland somit greifbar. Unter Finanzmarktexperten erscheint dies ausweislich der gestern veröffentlichten ZEW-Umfrage für August bereits unausweichlich.“

„Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft kommt seit einem Jahr nur noch im Kriechgang vorwärts. Für die zweite Jahreshälfte 2019 und auch für das nächste Jahr gibt es viele Unsicherheiten für die deutschen Exporteure, die sich kaum prognostizieren lassen. Neben dem Brexit ist das vor allem der Handelsstreit USA/China und mögliche US-Zölle auf europäische Autos. Die Binnenwirtschaft dürfte weiter wachsen, aber an Tempo nachlassen. Die wirtschaftliche Schwäche kommt allmählich am Arbeitsmarkt an, was sich auch auf den Konsum dämpfend auswirken wird.“

Investoren pessimistisch gestimmt

Die sonst gerne als Vorhersager für eine Rezession genutzten Anleiheinvestoren sind derzeit ebenfalls pessimistisch gestimmt. Dies wird unter anderem daran deutlich, dass zehnjährige Bundesanleihen nur noch einen viertel Prozentpunkt über zweijährigen Bundesanleihen liegen. Das letzte Mal gab es so einen geringen Aufschlag in der Woche vor der Lehman Brothers Pleite 2008. Wenn man sein Geld auf lange Zeit anlegt, rechnet man eigentlich mit höheren Zinsen. Kommt es jedoch zu einer Wirtschafts- und vielleicht sogar Finanzkrise, so ist mit einem tiefen Zins zu rechnen.

Auch bei der Google-Suche nach dem Wort Rezession ergeben sich so einige Indikatoren, die eine ähnliche Richtung andeuten. Läuft die Wirtschaft schlecht, so macht sich die Bevölkerung vermehrt auf die Suche nach der genauen Bedeutung des Begriffs. Unter anderem eben in Suchmaschinen und genau dies ist auch aktuell wieder der Fall. Seit 2004 kam es nur zweimal vor, dass die Suche nach dem Wort so hoch war wie sie jetzt ist. Jedes Mal darauf folgte dann auch eine Rezession.

Deutliche Antwort von künstlicher Intelligenz

Viele Indikatoren helfen dabei die Frage rund um die aktuelle Lage bezüglich der Rezession zu beurteilen, weshalb Prognosemodelle entwickelt wurden, die dabei helfen die verlässlichsten Indikatoren zu filtern und die Informationen zu richtig einzuordnen. Zu diesen Prognosemodellen zählt unter anderem das maschinelle Lernen, welches vom Ifo-Institut München und dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel entwickelt wurde. Das Modell sollte vor allem eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2008 sein, die das damalige Modell nicht erkannt hatte.

Zurzeit sagt das Modell für Deutschland eine Rezession mit einer Wahrscheinlichkeit von 92 Prozent voraus. Doch es gibt auch einen guten Aspekt: die Wahrscheinlichkeit, dass die Rezession so schlimm wird wie es 2008 der Fall war, liegt laut dem Modell bei null.