Hitzewellen beeinträchtigen deutsche Wirtschaft

Autor: Marcus Schilling
Datum: 19.09.2019

Landwirtschaft besonders stark betroffen

Bereits 2018 brachte die Hitzewelle trockenen Boden mit sich. Doch dieses Jahr litt nicht nur die Umwelt unter der Hitze, sondern auch die Wirtschaft. Die Auswirkungen sind schon jetzt zu spüren und die Zahlen sind enorm.

„Wir hatten hier an unserem Standort in der Nähe von Wismar lange Phasen von zwei bis drei Wochen, wo wir teilweise über 30 Grad hatten, das hat die Erträge deutlich dezimiert. Wir hatten teilweise in einigen Kulturen gerade so 50 Prozent unseres normalen Durchschnittsertrages geerntet …“, sagt Michael Brink, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Steinhausen in Mecklenburg. Die Landwirtschaft wurde besonders hart von den Auswirkungen der Hitze getroffen. Es gab Ernteausfälle bis zu 70%, da nicht jeder Bauer die nötigen finanziellen Möglichkeiten hat, um seine Felder manuell zu bewässern.

Hinzukommt, dass Behörden den Landwirten sogar verboten hatten ihre Felder zu bewässern, da auch der Kampf um das Wasser in Deutschland begonnen hatte. Sogar Privathaushalte wurden darauf hingewiesen, wenn möglich keine Swimmingpools oder Rasensprenger zu verwenden, da die Trinkwasserversorgung einiger Orte akut gefährdet war.

Konkrete Folgen

„Die deutsche Wirtschaft hat durchaus darunter gelitten, dass der Sommer zu trocken gewesen ist …“, bestätigt auch Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik beim DIW, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, „Dass der Sommer zu warm gewesen ist, und in der Folge eben ganz konkret in der Landwirtschaft die Ernte beispielsweise schwächer ausgefallen ist als üblich. Das sind so die ganz unmittelbaren Folgen. Es hat aber auch Auswirkungen in anderen Bereichen, nämlich beispielsweise in der Schifffahrt. Das hat uns alles in allem kräftig Wachstum gekostet, das dritte und vierte Quartal ist ungefähr zwei Zehntel Prozentpunkte schwächer ausgefallen als üblich, und das kann man ganz konkret auf diesen Dürresommer zurückführen.“

Wir erinnern uns an die Zeit, als die Sprit Preise in die Höhe schossen und knapp wurden, weil der Rhein und die Elbe beschränkt oder gar befahrbar waren. Laut BASF sei die Versorgung von Rohstoffen in der zweiten Jahreshälfte 2018 fast komplett gestoppt worden.

Laut Max Bangert, Meteorologe der BASF, am größten Chemiestandort der Welt, an dem fast 40.000 Menschen arbeiten, sei der Rheinpegel bereits ab Mitte des Jahres gefallen. Zudem gab es insgesamt eine Niedrigwassersituation mit eingeschränkter Schiffbarkeit, da sich die Situation bis November nicht wirklich verbesserte. Es gab lediglich einen Anstieg im September. Dadurch waren die Engstellen des Rheins weiter flußabwärts kaum beschiffbar. Des Weiteren behauptet der Meteorologe: „das war schon ein extrem außergewöhnliches Ereignis, gar nicht mal aufgrund der niedrigen Pegel, die erreicht wurden, sondern vor allem die Länge des Niedrigwassers.“

Ganze 250 Millionen Euro hat die Hitzewelle das Konzernergebnis gekostet. Solch ein erbittertes Ergebnis hat der Chemiekonzern in seiner über 150 Jahre langen Geschichte noch nicht erlebt.

Auch die Försterei hat unter den Dürren gelitten. „Absoluter Extremsommer, wir haben also etwas über die Hälfte nur der Regenfälle gehabt. Und man muss sich das so vorstellen: Wir haben damit Verhältnisse gehabt, wie sie vielleicht in der Serengeti üblich waren, wo dann Zebras oder Nashörner weiden. Und diese Witterungsverhältnisse hatten wir hier direkt vor Ort“, sagt Martin Hasselbach, Förster und auch Geschäftsführer des Waldbesitzerverbandes Brandenburg. Das Ergebnis: Bau- oder Möbelholz können nicht aus abgestorbenen Bäumen hergestellt werden. Auch hier ist ein Schaden von einer beträchtlichen Summe zu vermerken. Ganze fünf Millionen Euro Schaden wurden allein durch Schädlinge, Waldbrände und Trockenheit verursacht.

Schlecht für Reedereien und Frachtschifffahrten, von Vorteil für Brauereien

„Wenn wir jetzt als Beispiel nehmen: Normalerweise lädt ein Schiff vielleicht zweieinhalbtausend Tonnen ein, bei normalem Wasserstand, und kann das jetzt nicht mehr aufgrund des Niedrigwassers, und fährt nur noch mit tausend Tonnen oder noch weniger, dann brauche ich, um dieselbe Transportleistung zu erbringen, natürlich entsprechend mehr Schiffe. Und wer dann Schiffsraum hat, der kann mit Sicherheit davon auch profitieren und kann dort bessere Frachtraten durchsetzen“, sagt Detlef Maiwald, Binnenschiffer und Vorstandsmitglied des „Bundesverbandes der Selbständigen Abteilung Binnenschifffahrt“. Es müssen mehr Schiffe eingesetzt werden, bei denen sich auch gleichzeitig der Kraftstoff zu Ende neigt. Aber wenigstens etwas positives bringt das sonnige Wetter: das kalte Bier schmeckt am besten an warmen Tagen. „Wir freuen uns extrem über lang anhaltendes schönes Wetter“, sagt Peter Gliem, Berliner Kindl-Schultheiß-Brauerei. „Wenn das ist: Abends, 22 Uhr Deutschland, 22 Grad, dann ist Bierwetter, Bierlaune. Dann sind die Biergärten voll. Und der Rekordsommer, der Dürresommer letztes Jahr, der war auch für uns, in der Bierbranche im Allgemeinen ein sehr, sehr toller Sommer. Und wenn man sich ganz aktuelle Zahlen vom Statistischen Bundesamt anguckt: Erstes Halbjahr 2018 versus erstes Halbjahr 2019 ist es leider wieder weniger geworden.“

Die heißen Tage zerren an Deutschlands Wirtschaft

Chemiefabriken und Raffinerien am Rhein konnten wegen der niedrigen Pegelstände nicht mehr mit vollbeladenen Schiffen beliefert werden, während auf der Elbe zwischenzeitlich komplette Leere herrschte. Die gesamte Landwirtschaft erlitt einen Schaden in Höhe von drei Milliarden Euro. Um sich die Auswirkung genauer vor Auge zu führen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet, dass die Hitze das Wachstum in Deutschland um 0,2 Prozentpunkte beeinträchtigt haben soll.