Können Drohnen die Biene ersetzen?
Autor: Dimitri Lagun
Datum: 09.04.2018
Forscher entwickeln KI-Maschinen zur künstlichen Bestäubung
Stellen Sie sich vor: Sie stehen auf einem Feld, ein kleiner Schwarm Drohnen, klein wie Bienen, fliegt an ihnen vorbei. Alle ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, die ihnen sagt, welche Blüten in ihren Umkreis noch bestäubt werden müssen. Die kleinen Drohnen sind resistent gegen Pestizide und den Futtermangel. Bislang nur eine Zukunftsvision, die allerdings die Antwort auf das Insektensterben sein könnte. So hat eine Studie des Entomologischen Vereins Krefeld 2017 ergeben, dass die Insektenpopulation in den vergangenen 27 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen ist.
Wissenschaftler an der Harvard University in Cambridge, Amerika testen zurzeit, ob die Drohnen tatsächlich die Lösung für das Problem sein könnten. Die Test-Drohne ist etwa zwei Zentimeter groß und wiegt knapp ein Zehntel Gramm. Forscher berichten, dass diese künstlichen Bienen in der Luft schweben und auch auf der Unterseite von Blättern landen können. Das einzige Problem besteht momentan in den zu schweren Batterien. Bislang fliegen die Drohnen mithilfe eines Stromkabels.
Auch an der japanischen Universität in Tsukuba arbeiteten die Forscher in den vergangenen Jahren an einem kleinen Fluggerät, mit dem es ihnen sogar schon gelungen ist Lilien zu bestäuben. Der „Pollinator“ besteht aus Drohnen, welche an der Unterseite mit, mit Kleber bestrichenen Pferdehaaren bestückt sich. Auch Polen und die USA haben bereits ähnliche Versuche gestartet.
Dennoch sind die Forscher sich einig, dass die Drohnen die Insekten vorerst nicht ersetzen können. Sowohl aus technischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht weißt der Plan noch einige Hindernisse auf. Zum einen sind die Drohnen sehr teuer in der Herstellung und müssten mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden, ohne die sie nicht wüssten welche Blumen noch bestäubt werden müssen. Zum anderen müssten sie in der Lage sein, zwischen verschiedenen Feldern zu wechseln, um einen Genaustausch zu ermöglichen.
Auch der Leiter des Projekts Pflanzenforschung in Darmstadt, Klaus Minol, ist skeptisch: „Es gibt noch gar keine Technik, die die Arbeit der Bienen ersetzen könnte.“ Klar ist es schön eine technische Lösung für ein Problem gefunden zu haben, in diesem Fall sollte diese jedoch ganz weit hinten anstehen. „Das ist eine hochkomplexe Ökoarbeit, die die Bienen da leisten.“ Aktuell sei es unmöglich Bienen durch Drohnen zu ersetzen. An dieser Stelle sollte man lieber am Hauptproblem ansetzen: „Wir müssen alles dran setzen, die Insekten zu erhalten. Wie katastrophal das Insektensterben in der gesamten Bundesrepublik ist, müssen jetzt weitere Untersuchungen zeigen“, sagt Minol.
Doch neben den Monokulturen und Pestiziden stellt auch der Futtermangel ein enormes Problem für die Bienen dar, die Zahl der Wildblumen wird immer geringer. „Selbst Heuwiesen werden so früh gemäht, dass Wildblumen dort nicht lange genug blühen“, berichtet Minol. Obwohl es schon lange an der Zeit ist etwas an der Situation zu ändern, steht das Thema in der Politik noch nicht weit genug oben auf der Prioritätenliste. Im Vordergrund stehen hier stattdessen wirtschaftliche Interessen. „Jeder schiebt hier dem anderen den schwarzen Peter zu“, meint er.
Wie ein Leben ohne Bienen aussieht, wissen die Menschen in China. Dort gibt es zum Beispiel an den Ausläufern des Himalajas keine Bienen mehr, die die Apfelbäume bestäuben könnten. Zum Ausgleich muss dies hier der Mensch mit einem Pinsel übernehmen. Die entstandenen Pollen werden zudem eingesammelt und an die Bauern verkauft. Die künstliche Bestäubung in den Baumkronen ist nicht nur teuer und zeitaufwändig, sondern auch sehr gefährlich.
In Deutschland ist das Eintreten eines Szenarios dieser Art jedoch eher unwahrscheinlich. „Das ist absolut nicht wirtschaftlich“, sagt Kerstin Schnücker, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des rheinland-pfälzischen Landesverbands des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). „Die Lebensmittel würden dadurch deutlich teurer werden.“ Würden die Bienen den Menschen die Arbeit nicht abnehmen, müsste man diese sonst für die Bestäubung bezahlen. „Die Dienstleistung der Bienen auf der ganzen Welt ist 200 Milliarden Euro pro Jahr wert. Wenn man für alle Nutzpflanzen Leute zum Bestäuben einstellen müsste, wäre das ein finanzieller Wahnsinn“, sagt Schnücker. Doch nicht nur die Landwirtschaft würde durch das Insektensterben an wichtigen Mitarbeitern verlieren, auch die Wälder leiden darunter. Waldameisen verwerten so zum Beispiel auch das Laub auf dem Erdboden. „Ohne sie würde alles liegen bleiben und gammeln“, erklärt Schnücker.
Schon 2014 bestätigte eine Studie der North Carolina State University, das Insekten der Müllabfuhr einen großen Teil ihrer Arbeit abnehmen. Auf den New Yorker Grünflächen verteilten Wissenschaftler Essensreste. Einige davon ließen sie offen liegen, andere wurden in Gitterboxen gesperrt, um zu sichern, dass nur Insekten Zugang zu dem potentiellen Futter haben. Kleiner Portionen verschwanden bereits im Laufe eines Tages, größere Reste blieben jedoch liegen. Das Ergebnis der Studie: Nur auf dem Mittelstreifen auf der Strecke zwischen Broadway und West Street könnten jährlich rund 950 Kilogramm an Essen nur durch Insekten vernichtet werden.
Doch auch Schmücker ist sich nicht sicher, ob das Insektensterben noch aufzuhalten ist. „Wir müssen jetzt handeln. Das Problem ist ja schon länger bekannt.“ Der Großteil der Pflanzen ist Abhängig von der Bestäubung. Natürlich vermehren sich auch einige Arten durch Windbestäubung, doch im schlimmsten Fall müssen wir auf eine große Menge an Lebensmitteln verzichten: So sind zum Beispiel Obstbäume oder Gurken und Tomaten auf eine Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Eine perfekte Lösung à la Science-Fiction wird es wohl in den nächsten Jahren erst einmal nicht geben. Naturschützer und Forscher setzen sich daher für den Erhalt der Insekten ein: „Sterben die Insekten, fehlt ein Glied in der Nahrungskette“, so die Frankfurter Wissenschaftlerin Fritz.
Parallel zum Insektensterben ist auch die Zahl der insektenfressenden Vögel zurückgegangen. Arten wie der Feldsperling und die Lerche sind bereits stark bedroht. Und auch bei den Amphibien lässt sich bereits ein Zusammenhang erkennen. „Wenn die Ökosysteme zusammenbrechen, weiß keiner, was passieren wird“, sagt Fritz.
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