Lebensmittelindustrie erlebt Wandel durch Digitalisierung
Autor: Mario Schmidgten
Datum: 27.04.2017
Konsumenten können zukünftig eigene Produkte und Verpackungen gestalten
Aktuell steht die Lebensmittelindustrie vor großen Herausforderungen. Sie muss in Massenfertigungen große Stückzahlen produzieren und den Anforderungen der Konsumenten im Hinblick auf Vielfalt im Sortiment gerecht werden. Bisher waren diese beiden Ansprüche nicht miteinander kompatibel. Dies könnte sich mit der Digitalisierung ändern. Im Zuge der Industrie 4.0 sollen nicht nur Auto- und Maschinenbauer oder die Elektronikbranche einen Wandel erleben, sondern alle Branchen.
Auf der Hannover Messe demonstrierte Siemens anhand des praktischen Beispiels einer Molkerei, wie der Wandel die Lebensmittelindustrie beeinflussen könnte. Die Konsumenten können beispielsweise Produkte und Verpackungen frei nach ihrem Geschmack gestalten. Dies wird durch die flexible Fertigungslinie ermöglicht, unabhängig davon ob nur ein oder eine Million Stück produziert werden. Eine moderne Molkerei könnte seinen Kunden die Möglichkeit geben, mit wenigen Mausklicks ein individuelles und gewünschtes Produkt zu bestellen. Dieser Prozess wird durch die sogenannten „digitalen Zwillinge“, die neben dem zu fertigenden Produkt auch die komplette Fertigungslinie simulieren, ermöglicht.
Mithilfe von Software lässt sich innerhalb des Prozesses auch die Rezeptur ändern. Den Anfang macht man, wie für eine Product Lifecycle Management-Lösung üblich, im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Mit der im Prozess integrierten Software Simatic IT R&D Suite kann die Rezeptur des Produkts frei verändert werden. Sobald das Produkt fertig ist, kann die Anlage mithilfe von Comos geplant, in Tecnomatix Plant Simulation simuliert und anschließend über TIA Portal (Totally Integrated Automation) gesteuert werden. Ist diese Simulation erfolgreich, plant die Software selbstständig das Projekt, wahlweise auf Basis bereits bestehender Anlagen oder durch die Integration neuer Maschinen. Die Software sucht stets nach Optimierungspotenzial, beispielsweise beim Abfüllen oder Verpacken, um einzelne Prozesse zu beschleunigen. Auf der Messe wird das an einem Stand anhand einer Maschine der Firma KHS demonstriert, die individuell PET-Flaschen bedrucken kann.
Auch andere Firmen beweisen, dass derartige Prozesse bereits jetzt funktionieren können. Der Sportartikel-Hersteller Adidas präsentierte im Rahmen der Hannover Messe gemeinsam mit Siemens die sogenannte „Speedfactory“, die auf den „digitalen Zwilling“ setzen soll. Die vollständige Digitalisierung der Entwicklung und Fertigung von Sportartikeln sorgt dafür, dass künftig personalisierte Produkte in Serie hergestellt werden können. Um individuelles Design und Passform sicherzustellen, sollen Sportschuhe künftig aus dem 3D-Drucker kommen.
Das grenzt an eine kleine Revolution im Markt für Sportartikel. Lange Zeit wurden die Artikel von Hand gefertigt, man konnte jedoch am Standort in Ansbach beweisen, dass sich das dank der Digitalisierung deutlich effizienter abwickeln lässt. Mengen, die auf diese Weise produziert werden, bleiben vorerst gering. An jedem Standort sollen jährlich mindestens 500.000 Paar Sportschuhe gefertigt werden, Adidas konnte aber allein 2015 mehr als 300 Millionen Schuhe verkaufen.
Der Konzern möchte die Digitalisierung vor allem nutzen, um die Markteinführungszeit zu verkürzen, wie Gerd Manz, Vice President Technology Innovation bei adidas, erklärt. „Mit Hilfe der Digitalisierung der Wertschöpfungskette werden wir neue technologische Innovationen noch schneller einsetzen, Kapazitäten transparent und effizienter nutzen und damit flexibler auf individuelle Bedürfnisse unserer Konsumenten eingehen können – damit sie das bekommen, was sie wollen und zwar wann immer sie es wollen.“
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