Stellenabbau bei Ford

Autor: Mario Schmidtgen
Datum: 15.01.2019

Erster Verlierer im „automobilen Endspiel“

Auch wenn Volkswagen deutlich mit seinem Image zu kämpfen hat, so ist der Konzern dem Autobauer Ford immerhin in einer Sache überlegen: VW verfügt über weltweite Märkte. Hinzu kommen verschiedene Marken, die nahezu alle Segmente abdecken. Ganz egal ob Kleinwagen, Trucks oder Autos der Luxusklasse – im VW Konzern wird theoretisch jeder fündig. Und genau das ist der Grund aus dem VW trotz allen Skandalen trotzdem glänzend dasteht. Anders als Ford, welches in Europa nun auf den Prüfstand gestellt wird.

Mit 6,24 Millionen verkauften Autos meldete die Marke VW einen neuen Höchststand und verkündete stolz, dass 2018 „das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte“ gewesen sei. Ford hingegen kündigte einschneidende Änderungen an. So sollen Arbeitsplätze reduziert werden, mindestens ein Werk soll schließen, schlecht laufende Modellreihen werden vom Markt genommen. Zudem soll die Organisationsstruktur des Unternehmens in Europa einmal komplett umgekrempelt werden.

Steven Armstrong, Ford-Europachef, kündigte an, dass von den über 50.000 Arbeitsplätze „eine beträchtliche Anzahl“ abgebaut werden soll. In Deutschland sind rund 24.000 Menschen bei Ford beschäftigt, der größte Anteil davon im Kölner Werk. An welchen Stellen und in welchen Werken Jobs eingespart werden, muss noch in Gesprächen mit der Arbeitnehmerseite herausgefunden werden. Spätestens Mitte 2019 sollen die ersten Einzelheiten feststehen.

Mit seinen etwa 18.000 Mitarbeitern dürfte das Werk in Köln jedoch klar betroffen sein. „Die Einschnitte werden in allen Geschäftsbereichen kommen.“, sagte Armstrong. Dabei sollen Sozialverträge jedoch eingehalten werden und Altersteilzeit oder Abfindungen gezahlt werden.

Abseits von Deutschland prüft man, ob es sinnvoll ist, das Gemeinschaftsunternehmen Sollers in Russland zu halten. Zudem sollen die beiden britischen Verwaltungsstandorte zu einem zusammengefasst werden. Die Produktion wurde auf der Insel schon vor einiger Zeit eingestellt. Eine Schließung des Werks in Bordeaux und der Stellenabbau in Saarlouis wurden schon Ende des vergangenen Jahres angekündigt. Das zweitgrößte deutsche Werk produzierte über viele Jahre hinweg den Van C-Max produziert. Aufgrund der gesunkenen Nachfrage soll die Produktion jedoch Mitte 2019 eingestellt werden. In dem Werk arbeiten etwa 6000 Menschen. Die bisher drei Schichten, sollen auf zwei reduziert werden.

Wenn Ford Veränderungen ankündigt, dann kommen diese auch und zwar konsequent und radikal. Anders als die großen Autokonzerne wie Volkswagen oder General Motors ist der kleine Autobauer mit Sitz in Dearborn bei Detroit wendiger und kann Änderungen im Unternehmen schnell umsetzen. Auch wenn dies der größte Vorteil von Ford ist, so ist es zugleich auch ein Nachteil. Konkurrenten wie Volkswagen, GM, Toyota oder Renault und Nissan verkaufen deutlich mehr als die sechs Millionen Autos, die Ford umsetzt. Damit ist Ford zu klein, um die Anforderungen an die Branche bedienen zu können. Dazu zählen unter anderem der Umstieg auf Elektromobilität, autonomes Fahren und das „digitale Auto“.

Um dies umzusetzen, müssen Investitionen in Milliardenhöhe getätigt werden. Diese fließen vor allem in die Bereiche Forschung und Entwicklung, neue Produktionstechniken und den Umbau der Unternehmen auf die neuen Geschäftsfelder. Zudem müssen Jobs abgefedert werden, da der Bau eines Elektroautos nur noch sieben statt zehn Mitarbeiter benötigt. Das liegt daran, dass die Technik hinter den elektrisch betriebenen Autos wesentlich schlichter ist. Für Unternehmen wie Apple, Google und Uber, die einen Einstieg in das Autogeschäft planen ist dies wohl kein Problem. Und auch Unternehmen wie Volkswagen, Toyota und GM müssen sich keine Sorgen machen. Für alle anderen, ausgenommen die Premiumhersteller wie Mercedes oder BMW, könnte dies jedoch ein bedeutendes Problem darstellen. Experten bezeichnen diese Situation als „automobiles Endspiel“. Das bedeutet, dass nur die Hersteller auf Dauer überleben, die groß genug sind. Bei Ford sei dies laut Branchenkennern nicht der Fall.

Neben diesem Punkt hat Ford in Europa jedoch noch vier weitere Probleme. Ford gilt als Massehersteller, der zwar solide, aber dennoch eben nur mittelmäßige Autos verkauft. Hersteller aus dieser Liga haben es immer etwas schwerer als andere. Besonders gut läuft es bei Billigmarken, wie beispielsweise Dacia, oder in der Premiumklasse, zu der auch Mercedes gehört. Alles was dazwischen liegt, muss mit Größe glänzen, um überhaupt auf dem Markt überleben zu können. So wie es Volkswagen macht – und Ford nun mal nicht.

In den USA hat das Unternehmen mit weitaus weniger Problemen zu kämpfen. Dort herrscht eine hohe Nachfrage nach Pick-ups und der F-150 ist nachgefragt wie nahezu kein anderes Auto. In Europa existiert dieses Modell jedoch nicht, da Pick-ups hier nahezu nicht nachgefragt werden. Auch alle anderen Modelle werden unbeliebter. Im dritten Quartal 2018 verzeichnete Ford in Europa ein Minus von 245 Millionen Dollar.

Zudem kämpft das Unternehmen mit dem drohenden Brexit, immerhin ist das Vereinigte Königreich schon lange einer der wichtigsten Märkte des Unternehmens. Aktuell leidet das Unternehmen bereits unter dem schwachen Pfund. Und auch der Zusammenschluss von PSA und Opel macht der Europatochter des Amerikaners zu schaffen.

Das vierte Problem und größte Problem ist die schlechte Umweltbilanz der Autos. Die Amerikaner befinden sich hierbei deutlich hinter ihren Konkurrenten. Die aktuelle Flotte weist alarmierende Verbrauchswerte auf. Eine Analyse des Autoinstituts CAM hat ergeben, dass die Autos von Ford durchschnittlich 130,6 Gramm pro Kilometer an CO2 ausstoßen. Das einzige Unternehmen mit noch schlechteren Werten ist Fiat. Opel war minimal besser. Ab 2021 ist es gesetzlich festgelegt, dass im Schnitt nur noch maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausgestoßen werden dürfen. Opel war damit so überfordert, dass GM seine Europatochter kurzerhand an PSA verkaufte.

Für Ford besteht so eine Möglichkeit jedoch nicht, da das Unternehmen lediglich über zwei Marken verfügt, Ford und Lincoln. Zwar verpfändete das Unternehmen 2008 sein Logo als es in einer Krise steckte, doch ein Verkauf des Europageschäftes ist so gut wie ausgeschlossen. Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte, geht davon aus, dass Ford das Europa-Geschäft aufspalten werde. Seiner Meinung nach werde Ford die Nutzfahrzeuge in Kooperation mit einem anderen Hersteller weiterentwickeln, während das Pkw-Geschäft abgewickelt wird. Ford dementiert dieses Statement jedoch und gab bekannt, dass man das EU-Geschäft retten und sogar stärken wolle.

Auch wenn das Unternehmen tatsächlich auf die drei Säulen Nutzfahrzeuge, Pkw und Import umstellt, so soll davon jedoch jede einzelne Sparte profitieren. „Es ist wichtig, dass wir 2019 wesentliche Fortschritte machen.“ Hauptziel 2019 ist es schließlich wieder in die Gewinnzone aufzusteigen und ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen zu erreichen, dass mindestens sechs Prozent des Umsatzes beträgt. „Das ist ein wettbewerbsfähiges Level für ein Unternehmen unserer Größe in Europa“, so Armstrong.

Für den Ausbau der E-Auto-Sparte hat Ford es sich vorgenommen alle bestehenden Modelle auch in einer E-Version anzubieten und zudem neue Autos zu entwickeln, die ausschließlich in einer E-Variante angeboten werden. Um dies erfolgreich zu meistern, will Ford mit Volkswagen kooperieren. Laut WELT soll im Rahmen der Detroit Motorshow eine solche Partnerschaft offiziell bestätigt werden.

Stattfinden soll die Kooperation in den Bereichen Bau und Entwicklung von Nutz- und Elektrofahrzeugen. Dabei sollen vor allem kleinere Nutzfahrzeuge gebaut werden, da dabei Kosten eingespart werden können. Herbert Diess, VW-Konzernchef, sagte, dass jeder der beiden Hersteller alleine zu klein sei um auf der ganzen Welt Erfolg mit Transportern zu haben. Gemeinsam könnten sie jedoch die Kosten für Forschung und Entwicklung teilen und zudem ihre Werke besser auslasten.

Für Diess ist die Partnerschaft mit Ford zudem eine Möglichkeit, den VW Pick-up „Amarok“ endlich attraktiv zu machen und das Modell gewinnbringend weiterzuführen. Es ist sogar möglich, dass Ford bald die Produktion des Pick-ups übernimmt. Ford hingegen betrachtet eine Kooperation dieser Art eher als kritisch.

Für die Amerikaner ist dies jedoch kein Grund Kooperationen in anderen Bereichen auch abzulehnen. Immerhin zeigte Ford schon öfter Interesse daran, den sogenannten Elektrobaukasten von VW als Produktionsbasis zu nutzen. Diese Zusammenarbeit könnte die beiden Unternehmen dann schließlich auch im Bereich autonomes Fahren zusammenbringen.