Weiterhin Flugchaos bei Lufthansa und Eurowings

Autor: Mario Schmidtgen
Datum: 05.07.2018

Zuverlässigkeit des deutschen Luftverkehrs schlechter als jemals zuvor

Die Ferienmonate werden für die Urlauber wohl eher ungemütlich. Denn laut einer Zeitungsanzeige der Luftverkehrswirtschaft „stößt auch der Himmel mal an seine Grenzen“.

Unterschrieben wurde die Anzeige von den Chefs der zum Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft gehörenden Airlines. Dazu gehören unter anderem Lufthansa, Eurowings, Condor, Tuifly und EAT sowie die deutschen Flughäfen und die Deutsche Flugsicherung. Durch die Aktion sollen Passagiere, die unter dem Chaos leiden, wieder beruhigt werden.

Neben dem Versprechen „Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu verbessern“, gab es auch ein Eingeständnis: „Im vor uns liegenden Sommer werden die Maßnahmen noch nicht ihre volle Wirkung entfalten können.“ Klartext: Es wird weiterhin zu einigen Verspätungen kommen. Bei den Politikern und Verbraucherschützern klingeln derweil die Alarmglocken. Sie fordern von den Fluggesellschaften deutliche Verbesserungen im Kundenservice.

Für die meisten Passagiere ist es nicht besonders angenehm, dass er erst zu Unannehmlichkeiten durch ausgefallene oder verspätete Flüge kommt und sie danach von den Airlines „nicht einmal kundenorientiert“ behandelt werden. Gerd Billen, Staatssekretär, sagte gegenüber dem Handelsblatt, dass es besonders wichtig sei, dass die Fluggesellschaften an einem „kundenorientierten Beschwerdemanagement“ arbeiten. Heutzutage sei die gesamte Branche viel zu wenig auf ihre Kunden und den dazugehörigen Service ausgerichtet. „Einen guten ersten Eindruck kann man nur einmal machen.“ Diesen Punkt haben die Airlines bislang jedoch eher vernachlässigt.

Nach der Air Berlin Insolvenzanmeldung vor zehn Monaten läuft es mit der Zuverlässigkeit des deutschen Luftverkehrs schlechter als jemals zuvor. Im Zeitraum von Januar bis zum 20. Juni fielen laut Berechnungen des Fluggastrechte-Portals insgesamt 15.571 Flüge innerhalb Deutschlands aus, 3778 Flügen flogen mit mindestens drei Stunden Verspätung los. Im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres lag die Zahl der Ausfälle noch bei 8826 Flügen und die Zahl der verspäteten Flüge belief sich auf 2268.

Die Airlines müssen durch ihre Unzuverlässigkeit mit Entschädigungen in Millionenhöhe rechnen. Alleine bis zum 20. Juni sind Entschädigungsansprüche im Wert von fast 480 Millionen Euro entstanden. Ab einer Verspätung von drei Stunden steht den Fluggästen eine Entschädigung zu, die bei bis zu 600 Euro liegen kann.

Das Verbraucherministerium unterstreicht diesen Anspruch genau. „Es können außergewöhnliche Umstände vorliegen, aber diese dürfen nicht zur Pauschalbegründung bei Nicht-Zahlung werden“, so Staatssekretär Billen. „Außergewöhnliche Umstände sollten von den Airlines transparent dargelegt werden.“

Billen legt es jedem Verbraucher ans Herz, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um Ansprüche einzufordern. „Ich kann nur raten, sich in solchen Fällen nach erfolgloser Eingabe bei der Airline an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr oder an die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz zu wenden“, sagt er. Dieser Prozess sei kostenlos und leicht zu handhaben.

Vor allem die ungewöhnlich vielen Flugausfälle bei Lufthansa bereiten den Verbraucherschützern Sorgen. Alleine im ersten Halbjahr 2018 mussten mehr Flüge gestrichen werden als im gesamten Jahr 2017. Rund 2800 Flüge sollen laut eigenen Angaben im Lufthansa-Konzern dieses Jahr bereits ausgefallen sein. Als Grund dafür wurden Fluglotsenstreiks, Engpässe bei der Flugsicherung und der Infrastruktur sowie Wetterkapriolen durch die zahlreichen Gewitter und Unwetter aufgezählt.

Und auch Eurowings, die schon seit Monaten für die zahlreichen Flugausfälle und Flugverspätungen kritisiert werden, entschuldigen sich schriftlich bei ihren Statuskunden. Thorsten Dirks, Eurowings-Chef, schiebt die Störungen auf die Übernahme von 70 ehemaligen Air Berlin Flugzeugen. Bis Ende Juli soll dieser Transfer jedoch erst einmal gestoppt worden sein, um Eurowings wieder zuverlässiger zu machen.

Doch es gibt Zweifel. CSU Bundestagsabgeordneter Paul Lehrieder sagt: „Ich sehe die Entwicklung mit extrem großer Sorge. Das Image der Branche hat ohnehin schon wegen der Air-Berlin-Pleite schwer gelitten.“ Für ihn ist die Anzeige der Luftverkehrswirtschaft daher „ein starkes Stück“ und sagt, dass es ein großes Problem ist, dass die getroffenen Maßnahmen im Sommer noch nicht wirken werden.

Zudem bedauert Lehrieder es, dass die Politik nicht über die Mittel verfügt, die Airlines unter Druck zu setzen. „Ich kann nur an die Fluggesellschaften appellieren, die Missstände schnell abzustellen“, sagt Lehrieder. Sowohl für Urlauber als auch Geschäftsreisende ist es wichtig, sich auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Fluggesellschaften verlassen zu können. „Alles andere wäre schädlich für den Luftverkehrsstandort Deutschland.“

Für Grünen-Tourismuspolitiker Markus Tressel liegt der Handlungsbedarf eindeutig in der Gesetzgebung. „Es kann grundsätzlich nicht sein, dass Flugreisende immer häufiger die schlechte Planung von Fluggesellschaften ausbaden müssen“, sagt Tressel gegenüber dem Handelsblatt. „Deshalb brauchen wir mehr Verbraucherschutz durch eine Reform des Ordnungsrechts und höhere Bußgelder, damit Fluggesellschaften ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden ernst nehmen.“

Das Mindeste was die Lufthansa für ihre Passagiere in Zukunft bei Verspätungen und Flugausfällen tun kann, ist es die Fluggäste über die genauen Gründe der Verspätung zu informieren. „In den Sommerferien muss die Lufthansa beweisen, dass sie es besser kann als in der ersten Jahreshälfte.“
Tressel erklärte zudem, dass er es als „höchst ärgerlich“ empfinde, dass die Lufthansa Monate lang zu dem Thema schwieg und sich der Öffentlichkeit erst öffnete, als der Druck von außen zu stark wurde. „Sie wäre es den Betroffenen zumindest schuldig gewesen, die Probleme im eigenen Haus klar zu benennen und die Gründe für die Ausfälle nicht in Form von Allgemeinplätzen außerhalb ihrer Verantwortung zu suchen“, sagt Tressel.

Auch Klaus Müller, oberster Verbraucherschützer Deutschlands, ist unzufrieden mit dem Verhalten der Lufthansa: „Hier drängt sich die Frage auf, ob sich Lufthansa mit der Air-Berlin-Übernahme nicht doch verhoben hat.“ Die Lufthansa als „von der Politik hochgelobter nationaler Champion“ müsse daher nun „schnellstens seiner Entzauberung entgegenwirken.“

Wichtig sind dafür vor allem ein stabiler Flugplan sowie eine ausreichende Zahl an flugbereiten Maschinen und Mitarbeitern. „Die Schwierigkeiten bei der Lufthansa und ihrer Tochter Eurowings dürfen sich nicht auch in diesem Jahr wieder zu einem Drama für Verbraucher ausweiten“, warnt der VZBV-Chef.

Durch die Air-Berlin-Pleite war bereits der vergangenen Sommer für eine Vielzahl der Urlauber zur absoluten „Katastrophe“ geworden. „Lufthansa ist damals auch mit dem Ziel zur Air-Berlin-Übernahme angetreten, es besser zu machen“, sagt Müller. 2018 ist für die Fluggäste ein wahres Déjà-vu: Flugplanänderungen, Verspätungen und Flugausfälle haben lange Wartezeiten und eine hohe nervliche Belastung der Fluggäste zur Folge.

Ein Großteil der Lusthansa- und Eurowings-Kunden hat es gar nicht erst bis zum Urlaubsziel geschafft, ist an einem anderen Ziel als geplant gelandet oder stand am Ende ohne Koffer da. Der VZBV-Chef fasst die chaotische Lage als „Urlaubspleite reloaded“ zusammen.