Massenklage gegen VW

Autor: Thanh Duy Tran
Datum: 01.10.2019

VZBV setzt sich für Autohalter ein

Die Verhandlungen dauern bereits vier Jahre an. Volkswagen musste bis jetzt für den Skandal 30 Milliarden Euro zahlen. An diesem Montag wird vor dem Oberlandesgericht Braunschweig über die Musterfeststellungsklage verhandelt.

Was ist die Musterfeststellungsklage (MfK)?

Die Klage ist eine Art „Lex Volkswagen“. Das Kraftbundesamt gibt bekannt, dass insgesamt 2,5 Millionen Dieselfahrzeuge betroffen sind. Nun wird die Musterfeststellungsklage in ca. 449.000 Fällen im Namen der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen VW zum Einsatz gebracht. Selbst wenn man die Autobesitzer mit betroffenen Zweit-, Dritt- oder Viert-VW-Diesel nicht dazu zählen würde, würden noch immer Hundertausende betroffene übrigbleiben.

Zweck des Ganzen ist, sich mit mehr Comfort ein geringeres Risiko in der Klage gegen den Autokonzern zu erlegen. Dabei wird großmündig auf eine mögliche Schadensersatzklage hingezielt.

„Die neue Verfahrensart ist eine große Chance, für eine Vielzahl von Geschädigten in einem Verfahren Fragestellungen zu klären“, erklärt Sebastian Reiling, der sich um die Musterfeststellungsklagen beim VZBV kümmert. Weiterführend entgegnet er: „Das ist für mich auch ein wichtiger Zugang zum Recht.“ Eine Klage würde viel Geld beanspruchen und die Klagen gegen VW seien somit eine „der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik“, sagt Reiling.

Was kann die Klage erreichen?

Reiling vom VZBV sagt: „Durch die Rückrufaktion des Kraftfahrbundesamts steht fest, dass Volkswagen geschummelt hat. Und nach unserer Rechtsauffassung ist der Schaden in dem Moment eingetreten, in dem ein betroffenes Auto gekauft wurde.“ Dabei bleibt aber trotzdem die Frage offen, ob die betroffenen Motoren auch wirklich einen Schaden davontragen. Daher bleibt es weiterhin unentschieden und Volkswagen als auch die Verbraucherschützer bleiben künftig auf Gefechtsstation.

„Aus unserer Sicht haben die Kunden keinen Schaden erlitten.“ Beharrt Volkswagen und sei der Meinung, dass betroffene Autos trotzdem weiterhin genutzt werden können, da die Motoren technisch sicher seien. Zudem steht noch zur Debatte, ob ein Softwareupdate in Stande ist einen möglichen Schaden zu beseitigen.

Lange waren die Fahrer der Volkswagen im Nachteil gegenüber dem Gericht. Aber in letzter Zeit gab es Ausnahmen, in denen die Kunden im Recht waren. Dies kam daher, dass der Bundesgerichtshof die illegale Abschalteinrichtung als einen Sachmangel plädierte. Das Oberlandesgericht Frankfurt erklärte den Fall hingegen für eine „vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung“ und sprach dem Kläger die Erstattung des Kaufpreises zu.

Jedoch wird das Klageverfahren in Braunschweig umfassender und kniffliger, als geplant. Schuld daran ist der vierte Zivilsenat, der das Ziel des VZBV niederlegt und darauf besteht, dass Schadensersatz nicht in Frage kommt. Grund dafür geben die vielen Unterschiedlichen Fälle. Daher wird etwas mehr Zeit benötigt, um jeden Hilfsantrag genau zu durchleuchten den der VZBV abdecken will.

Ein Vergleich sollte in Betracht gezogen werden

Geschätzt wird, dass sich die Verhandlungen noch zwei Jahre hinziehen werden, obwohl der Verhandlungstermin in November gesetzt wurde. Weitergehend wird geraten, einen Vergleich zu starten damit der Prozess eine geringere Dauer aufweist. VW hat bereits in Australien einen Vergleich geschlossen. Wieso es in Deutschland nicht möglich sei kommentiert der Autokonzern damit, dass es hier zu viele Kläger in den verschiedensten Variationen der Fallkonstellation gibt.

„In den USA hat VW in großem Stil Autos zurückgenommen, in Kanada in Umweltfonds eingezahlt, sie haben Strafen bezahlt und in Deutschland stellt sich Volkswagen noch auf den Standpunkt, sie hätten nichts falsch gemacht. Das ist schon eine deutliche Diskrepanz.“, bewertet Reiling vom VZBV die Sachlage.

Mit welchen Folgen haben die betroffenen zu rechnen?

Grundsätzlich sind drei Situationen gegeben, mit denen die betroffenen Autohalter rechnen müssen:

1. Im Falle eines Vergleichs, würden die Einigungen zwischen VW und VZBV zu Tage kommen und für alle beteiligten Verbrauchen gelten.

2. Sollte die Klage erfolgreich sein, müssen die Verbraucher selbst zur Tat schreiten und auf Basis der Feststellung des Gerichts selbst Schadensersatz verlangen. Dabei können Schiedsstellen zur Bestimmung der Summe für die Ansprüche eingerichtet werden oder die Autohalter treten mit Prozess-Finanzierer in Kontakt.

3. Sollte die VZBV den Prozess verlieren, hätten auch die beteiligten Verbraucher keine Ansprüche mehr. Die Auswirkung wäre, dass diese nicht mehr bei anderen Gerichten Klage einreichen könnten.

Lieber selbst zur Tat schreiten?

Es wäre die Alternative für jeden, der durch eine Rechtsschutzversicherung die Möglichkeit dafür hat im Alleingang zu klagen. Vorteil daran ist sagt Reiling, dass „die individuelle Klage zugleich eine Leistungsklage ist, das heißt, man bekommt am Ende des Verfahrens womöglich auch direkt Geld“ dabei erwähnt Reiling jedoch trotzdem die Vorteile für die Sammelklage: „Die Verjährung wird gehemmt und die Anmeldung im Register ist kostenlos, wir tragen dafür die Prozesskosten.“ Wie solch eine Klage im Alleingang ausgeht, ist noch nicht klar. Das liegt daran, weil bereits einige Verfahren auf dem Tisch vom Bundesgerichtshof liegen die eine Entscheidung erwarten.

VW erliegt in Zukunft ein großes Problem, wenn weiterhin die Anzahl der Musterfeststellungsklagen wächst. Je mehr zur Tagesordnung gelangen, desto länger dauert der Prozess und erhöht somit die Gerichtskosten für das Unternehmen. Aus diesem Grund wird öfter ein Betrag für die Nutzung des betroffenen Fahrzeugs vom Gericht abgezogen. Der einzelne Betrag sei umso höher, je länger das Auto zugelassen ist. Da der Großteil der Fahrzeuge im Jahr 2024 nur noch einen geringen Restwert vorweist, ist der Gewinn am Ende für den Verbraucher entsprechend gering.

Welches Risiko ist noch gegeben?

Es wurde bis jetzt zum ersten Mal die Braunschweiger Verbraucherklage zum Einsatz gebracht. Das Musterverfahren wurde bereits gegen die Mercedes-Bank in Stuttgart eingesetzt. Dort scheiterte ein Verbraucherverein. Daher dient Braunschweig als Bühne für die Premiere des neuen Prozessrechts. „Es ist ein brandneues Gesetz und eine neue Verfahrensart, bei der bestimmt mehr Fragen noch geklärt werden müssen als bei anderen“, erklärt VZBV-Jurist Reiling. Zum Beispiel steht noch zur Frage, ob ausländische VW-Autohalter miteinbezogen werden können. Denn auch diese stehen mit großer Zahl im Klageregister.